Als Koni Bürge sein Miethaus Ende Oktober 2019 betritt, trifft ihn fast der Schlag. Das alte Bauernhaus in Stein SG ist vollgestopft mit Elektroschrott und Altmetall, Büchern und Dokumenten. Im Keller stapeln sich Einmachgläser und Konserven mit verdorbenen Lebensmitteln, Hunderte Flaschen verdorbenem Wein und Kühltruhen voller altem Fleisch.
Bürge versuchte, bei verschiedensten Stellen Auskunft zu bekommen; für die Polizei und das Gericht sei die Sache jedoch erledigt, bei der Gemeinde verwies man auf das Amtsgeheimnis und den Personenschutz. «Es kann doch nicht sein, dass jemand in der organisierten Schweiz einfach untertauchen kann», sagt Bürge.
Lange ging alles gut
In den Schlafräumen, zwischen ranzigen Kleidern, liegt Katzen- und Marderkot auf dem Boden. Der 73-jährige Bürge sagt:Wer es nicht selbst gesehen und miterlebt hat, kann sich kaum vorstellen, was wir in dem Haus angetroffen haben.Alles begann 2002 als der ehemalige Konstanzer Wirt Franz B.* das Bauernhaus von Koni Bürge mietete. «Er war freundlich, zuvorkommend, gab sich als einfacher Mieter aus», sagt Bürge. Über zehn Jahre ging alles gut mit Franz B.
Koni Bürge lässt Mieter gerichtlich herauswerfen
Dann fingen die Probleme an: B. liess das Bauernhaus komplett verwildern. Bürge erinnert sich:Ich habe ihm 2015 erstmals gesagt, dass er sich um die unhaltbaren Zustände kümmern solle. Das Holzhaus ist erstickt im Dickicht aus Bäumen und Gebüsch, die Fensterrahmen haben zu faulen begonnen.B. habe mehrmals versichert, sich den Problemen anzunehmen. Getan habe sich jedoch nichts. Bürge wies seinen Mieter immer wieder darauf hin, die Pflanzen – die Franz B. übrigens allesamt selbst gepflanzt habe – zu beseitigen, bis ihm Mitte 2019, fast vier Jahre später, der Kragen platzte.
Ich habe ihm eingeschrieben mehrere Kündigungen zugeschickt, doch das hat ihn nicht interessiert. Die Briefe kamen alle an mich zurück.
Polizei räumte das Bauernhaus
Also geht Bürge vor Gericht, schildert seine Situation und erwirkt eine amtliche Ausweisung. Franz B. muss gehen. Im Oktober 2019 wurde das Bauernhaus von der Kantonspolizei St. Gallen geräumt. Nach einem rund eineinhalbstündigen Gespräch packte Franz B. seinen Rucksack und verliess das Haus freiwillig. Daraufhin hatte er 30 Tage Zeit, um sein Hab und Gut aus dem Haus zu holen. Die Frist verstrich ohne Lebenszeichen. Bürge sagt:Die Polizei riet mir, das Schloss auswechseln zu lassen, da sie den Verdacht hatte, der Mieter könne zurückkommen und sich erneut im Haus einnisten.Also beauftragte Koni Bürge einen Schreiner, um ein neues Schloss einzubauen. Mit den neuen Schlüsseln schaute Bürge im Haus nach, ob dieses besenrein verlassen wurde. Und bemerkte erst da die Müllhalde, die Franz B. hinterlassen hatte.
Nach dem Schock begann das Räumen
Weshalb hatte Bürge das Chaos nicht schon eher bemerkt? «Der Mieter kam immer nach draussen, wenn ich das Bauernhaus besuchte, er liess mich nie ins Haus», sagt Bürge. Er habe sich nichts dabei gedacht. Im Nachhinein hätte ihm das Verhalten wohl verdächtig vorkommen sollen, sagt Bürge. Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, trommelte er eine Gruppe Bekannter zusammen, um das Haus zu räumen. Bürge erzählt:Zum Teil mussten wir Schutzanzug und Maske tragen wegen des Gestanks.Neben verdorbenen Lebensmitteln mussten auch unzählige Betten, Schränke und sogar Kirchenbänke entsorgt werden. «Anscheinend hat B. einmal eine Kapelle ausgeräumt.»
Aufräumarbeiten dauern fast ein Jahr
Die achtköpfige Gruppe füllte sieben Mulden mit 34 Tonnen Abfall – Einmachgläser, Konserven und Weinflaschen, die Bürge separat entsorgte, nicht eingeschlossen. Die Aufräumarbeiten zogen sich fast ein Jahr hin, bedeuteten rund 770 Stunden Aufwand und verschlangen Kosten in Höhe von 15000 Franken. Bürge fügt an:Und das sind nur die Recyclingkosten. Meine Bekannten arbeiteten für ein Trinkgeld, sonst wäre die Aktion noch viel teurer geworden.Bürge sagt: «Ich will eine Entschädigung für die entstandenen Kosten eintreiben.» Nur: Vom Mieter fehlt seit der Hausräumung vor drei Jahren jede Spur.
Der Mieter betrog mehrere Leute
Kürzlich wandte er sich an den «Blick», dem er seine Leidensgeschichte schilderte. Damit erhofft er sich Hinweise und Informationen, wo sich der mittlerweile 83-jährige Franz B. aufhalten könnte. Bürge hat sich in der Zwischenzeit auch in Stein umgehört, was man über B. erzählt:Anscheinend hat er die Religion als Vorwand benutzt, um alle möglichen Leute übers Ohr zu hauen.Weiter soll B. über die Jahre mehrere Geliebte und Untermieter im Haus beherbergt haben.