Pro AHV-Reform: «Nun ist es höchste Zeit für eine Modernisierung»
Die AHV wurde 1948 eingeführt und ist das wichtigste Sozialwerk der Schweiz. Die AHV beruht auf Solidarität. Die Einnahmen stammen zu einem grossen Teil aus Beiträgen der Erwerbstätigen. Mit der Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge steigt die Zahl der Rentenbezüger und -bezügerinnen nun deutlich an, während die Zahl der Erwerbstätigen rasant sinkt. Weniger Erwerbstätige müssen für mehr Pensionsberechtigte aufkommen. Die gestiegene Lebenserwartung führt dazu, dass länger Renten bezogen werden. Die Einnahmen reichen nicht mehr aus, um alle Renten zu finanzieren. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die AHV längerfristig zu sichern. Der Bund geht davon aus, dass die Renten bereits ab 2025 nicht mehr gewährleistet sind.
Seit 2010 wurden drei Reformen abgelehnt. Nun ist es höchste Zeit für eine Modernisierung. Bei der Einführung der AHV galt Rentenalter 65 für Männer und Frauen. Das Rentenalter für Frauen wurde inzwischen gesenkt und ist seit 2005 bei 64 Jahren. In der Vorlage, über die wir am 25. September abstimmen, ist eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 vorgesehen.
Meine Begeisterung für diese Massnahme hält sich in Grenzen, leisten doch Frauen einen erheblichen Anteil an unbezahlten Betreuungs- und Haushaltsarbeiten. Dem ist entgegenzuhalten, dass Frauen bei den Renten den Männern gleichgestellt sind.
Von der Erhöhung des Rentenalters sind besonders jene Frauen betroffen, die kurz vor der Pension stehen. Wird die Reform wie geplant umgesetzt, werden sich Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969 zu besseren Bedingungen vorzeitig pensionieren lassen können. Wenn sie bis zum Alter von 65 arbeiten, erhalten sie einen Zuschlag auf eine lebenslange Rente. Als grossen Pluspunkt sehe ich die Flexibilisierung des Rentenbezugs. Der Eintritt in die AHV kann im Alter zwischen 63 und 70 Jahren individuell und flexibel gestaltet werden.
Ausschlaggebend für die Zustimmung ist für mich die Tatsache, dass die AHV für viele Pensionierte die einzige Altersvorsorge ist. Eine langfristige Sicherung ist entscheidend für ihren Lebensstandard. Der dringende Handlungsbedarf ist unumstritten. Dazu gehört auch eine moderate Erhöhung der Mehrwertsteuer, die zur Stabilisierung unseres wichtigsten Sozialwerks notwendig ist. Damit die Reform umgesetzt werden kann, braucht es also zweimal Ja.
Barbara Dürr, Gams
Kantonsrätin Die Mitte
Contra AHV-Reform: «Sparen auf Kosten der Frauen»
Mit der Reform AHV 21, die eine Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65 Jahre vorsieht, wird einmal mehr auf Kosten der Frauen gespart – das geht einfach nicht. Die Reform ist der Auftakt zu einem Abbau der AHV. Aktuelle Umfragen zeigen, dass Frauen mehrheitlich keine Erhöhung des Rentenalters wünschen. Es erstaunt mich also nicht, dass diese Vorlage einen schweren Stand hat.
Mit einer Annahme der Vorlage müssten Frauen Einbussen von jährlich 26'000 Franken und Ehepaare 24'000 Franken in Kauf nehmen. Dazu sollen Frauen ein Jahr länger arbeiten, um in die AHV einzubezahlen – diese Rechnung geht schlicht nicht auf.
Obwohl Kompensationszahlungen in Aussicht gestellt werden, die meines Erachtens viel zu gering ausfallen, ist eine AHV-Rente für viele Menschen nicht existenzsichernd.
Frauen, die mehrheitlich Care-Arbeit geleistet haben, Frauen, die aus familiären Gründen in Teilzeitjobs tätig sind, häufig im Tieflohnbranchen tätig waren und jährlich rund 100 Milliarden weniger Lohn verdienten, sind somit in der beruflichen Vorsorge deutlich schlechter gestellt. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die 2. Säule.
Diese AHV-Reform kommt aus meiner Sicht zur Unzeit und bedeutet nichts anderes als Rentenabbau. Bevor das Rentenalter der Frauen erhöht werden soll, braucht es eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine echte Gleichstellung in der Arbeitswelt bedeutet, dass Frauen auf allen beruflichen Ebenen endlich angemessen vertreten sind. Es braucht eine verbindliche Durchsetzung der Lohngleichheit, dann sind auch wir für eine faire Angleichung des Rentenalters von Mann und Frau. Unbezahlte Haus- und Pflegearbeit wird nach wie vor weitgehend von Frauen geleistet.
Frauen sind heute in der Rente finanziell deutlich schlechter gestellt als Männer. Elf Prozent der Neurentnerinnen sind bei Eintritt in die Rente direkt auf Ergänzungsleistungen angewiesen, bei den Männern sind es lediglich sieben Prozent. Die Hälfte aller Frauen, die 2019 in Rente gegangen sind, haben mit weniger als 1770 Franken AHV-Geldern auskommen müssen. Ein Viertel der Frauen erhalten bei ihrer Pensionierung nur die AHV und keine zweite oder dritte Säule. Bei den Bäuerinnen zum Beispiel ist dies ein grosses Thema, weil die soziale Absicherung für mitarbeitende Ehefrauen oder Partnerinnen gesetzlich noch immer nicht geregelt ist. Viele Gründe, diese Vorlage deutlich abzulehnen.
Katrin Schulthess, Grabs
Kantonsrätin SP, Gemeinderätin