Ruedi Eugster wuchs in Gais auf. Sein Vate r betrieb dort ein Textilunternehmen. In den Schulferien war für den interessierten Bub oft Mithilfe auf dem Bauernhof des Grossvaters in Gais angesagt. Das Heuen und das Besorgen der Tiere machten ihm Spass. Ruedi Eugster erzählt:
Strom habe es im ersten Jahr keinen gegeben in ihrem Haus. Bade- und Kochwasser habe man draussen in einem Fass aufbewahrt und mit Feuer geheizt.
Eine Hauptaufgabe des verantwortlichen Tierarztes waren die Diagnose und die Bekämpfung von Tierseuchen, welche in Europa kaum noch vorkamen.
Die Verständigung mit der kenianischen Bevölkerung funktionierte am Anfang bei Eugsters mittels Angestellten. Diese brachten ihnen die örtliche Sprache Kiswuaheli bei. «Es war eindrücklich, das Leben der Nomaden kennen zu lernen. Geld, um Behandlungen oder Medikamente zu bezahlen, hatten sie natürlich keines.» Ruedi Eugster betrachtet die sieben Jahre in Kenia als Lebensschule.
Für das Behandeln von Klauenproblemen wurde das Bein der Kuh mit einem Heuseil Richtung Stalldecke gezogen. Da sei es in Anbetracht der immensen Kraft einer Kuh schon oft recht abenteuerlich zu und hergegangen.
«Auf fast allen besuchten Betrieben lief das Aufkreuzen eines Tierarztes nach dem gleichen Schema ab. Es wurden von der Bäuerin in raschem Tempo ein Becken heisses Wasser, ein frisches Handtuch und eine Seife bereitgestellt», weiss Ruedi Eugster schmunzelnd zu erzählen. Damals hätten die Bauern einem Tier nie selbst eine Injektion verpasst.
Als Weihnachtsgeschenk kriegte ich oft einen geräucherten Speck, welcher mir vorzüglich mundete.Die Einsicht in das Veterinärwesen vermittelte ihm aber ein Freund seiner Eltern. Mit dem Tierarzt Robert Sturzenegger konnte Ruedi Eugster manchmal mit auf Tour gehen. Das sei nur schon darum ein Erlebnis gewesen, weil ja sonst niemand in der Umgebung einen Jeep hatte. Holprige Strassen seien damals weit verbreitet gewesen. Hofzufahrten habe es lange nicht überall gegeben und Telefone seien nur in vereinzelten Bauernhäusern schon installiert gewesen. Im Sommer sei es jeweils Ruedi Eugsters Aufgabe gewesen, all die unzähligen Latten und Gatter für die Durchfahrt zu öffnen und wieder zu schliessen. Vorab interessierte er sich aber schon damals für die Behandlungen der Tiere. Den Einstieg in das Berufsleben als Tiefbauingenieur verwarf Ruedi Eugster bald und begann nach der Kantonsschule das Studium als Veterinär.
Ein Ehepaar mit demselben Beruf
Barbara Egger aus Herisau studierte ebenfalls Tierärztin und so begegnete sie Ruedi Eugster auf dem gemeinsamen Schulweg im Zug. Die junge Frau hatte sich in dieser Zeit beim Reiten das Bein gebrochen. So anerbot sich Ruedi Eugster ihr den Koffer zu tragen. Eine Liebesbeziehung entstand und sie hält sich bis heute. Das Staatsexamen absolvierten die beiden zum selben Zeitpunkt. 1969 wurde geheiratet. Spontan beschlossen die beiden, eine Anstellung in Afrika anzunehmen. Von der Schweiz bezahlt, sollten Barbara und Ruedi Eugster in Kenia als Entwicklungshelfer ein Veterinäramt übernehmen.Das war etwa dasselbe, wie die Stellung eines Kantonstierarztes in der Schweiz.Aber die Distanzen in ihrem Distrikt seien wesentlich grösser gewesen als hierzulande. Das zu betreuende Gebiet war mit 23000 Quadratkilometern halb so gross wie die Schweiz. «Ein Freund gab uns damals den Rat mit auf den Weg, dass von uns beiden vorerst keine Kinderwagen im afrikanischen Busch herumzustossen seien», erzählt Ruedi Eugster.
Nochmals für zwei Jahre nach Afrika
1976 zog die inzwischen vierköpfige Familie in die Schweiz zurück. Doch 1978 ging es nochmals für zwei Jahre nach Afrika; an die Elfenbeinküste. Dort stand die Aufgabe an, die Krankheiten übertragende Tsetse-Fliege zu bekämpfen. Während der Jahre in Afrika knüpften Eugsters viele Freundschaften.Diese halten teilweise bis heute. Ab und zu kommen Freunde von damals ins Toggenburg zum Skifahren.Im Jahr 1980 war es aber fertig mit den Auslandaufenthalten. Die beiden eigenen Buben sollten in der Schweiz eingeschult werden. In Nesslau integrierte sich Ruedi Eugster in eine von drei Tierärzten geführte Gemeinschaftspraxis. Das sei damals noch eine Seltenheit gewesen. Im Gegensatz zu den allein praktizierenden Tierärzten konnte man so auch mal ein freies Wochenende planen. In der von Willi Eppenberger gegründeten Tierklinik in Nesslau war auch ein Operationssaal eingerichtet worden.
Bein mit Heuseil Richtung Stalldecke gezogen
«Im Gegensatz zu heute besassen die Landwirte damals noch keinen Viehwagen für den Transport. Das musste man organisieren», erklärte Ruedi Eugster. In einem Stall sei damals nie eine Operation durchgeführt worden. Klauenstände gab es früher nur wenige.Im Allgemeinen haben die Bauern damals schon ab und zu gesündigt mit der Sauberkeit.Die Kälber lagerten manchmal auf durchnässten Strohmatten. Frischluftzufuhr gab es kaum. In den Kuhställen, vor allem auf den Alpen, waren die Lager holprig und manchmal sogar löchrig. Als Lichtquelle diente in den oft überfüllten Ställen eine schwache Glühbirne. «Ich möchte aber betonen, dass es auch saubere Betriebe gab», sagt Ruedi Eugster.