Aus 8000 Franken Busse werden 800 Franken: Jäger wird von Vorwurf der vorsätzlichen Übertretung des Jagdgesetzes freigesprochen | W&O

05.12.2021

Aus 8000 Franken Busse werden 800 Franken: Jäger wird von Vorwurf der vorsätzlichen Übertretung des Jagdgesetzes freigesprochen

Über das Ziel hinausgeschossen ist die Staatsanwaltschaft im Fall eines Jägers. Der Weidmann hatte ein weibliches mit einem männlichen Rotwild verwechselt. Das hätte gemäss Anklage zum Ende seiner Berufskarriere führen sollen.

Von Reinhold Meier
aktualisiert am 28.02.2023
Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 9 Franken im Monat oder 96 Franken im Jahr.

Der schien zunächst eher harmlos. Dann entwickelte er sich zum kafkaesken Albtraum, der von männerbündischem Schweiss troff und endete zuletzt vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland mit einem Freispruch in der Hauptsache.

Das war geschehen: Der Jäger wollte in der späten Dämmerung von seinem Hochsitz nach Hause zurückkehren, als er am Waldrand ein Rotwild entdeckte, dort, wo allenthalben ein Schaltier auftauchte, also eine junge Hirschkuh. Er hielt an, richtete sein Zielfernrohr aus und erlegte es weidgerecht über Kimm und Korn im festen Glauben, es handle sich eben um ein Schaltier.

Ungereimtes gefunden

Beim Näherkommen erkannte er jedoch, dass es sich um einen Hirschstier handelte, mit Geweih, einem ungeraden Zehnender. Nach dem Ausweiden liess er den Aufbruch liegen und verbrachte den Tierkörper in einen Kühlanhänger. Schrillere Züge nahm die Geschichte an, als ein Unbeteiligter dem kantonalen Wildhüter später meldete, er habe soeben den Aufbruch gefunden. Es stellte sich heraus, dass dieser von einem männlichen Tier stammen musste.

Tags darauf informierte der Obmann der lokalen Jagdgesellschaft den Wildhüter, dass der besagte Jäger den Abschuss einer Hirschkuh samt Kalb gemeldet hatte, der Aufbruch am Fundort stamme also offensichtlich nicht von einem Mitglied der Jagdgesellschaft.

Geweih entdeckt

Der Wildhüter hatte gleichwohl den Braten gerochen. Er suchte den Kühlanhänger auf, der war verschlossen. Auf Nachfrage erklärte der Jäger, das Fleisch sei schon beim Metzger. Die Metzgerei aber wusste nichts davon.

Zuletzt musste der Jäger anrücken und im Beisein des Wildhüters den Kühlwagen öffnen. Dabei wurden der Wildkörper und dessen abgetrennter Kopf mit Geweih offenbar. So musste der Weidmann einräumen, dass er gelogen hatte. Damit habe er sich der vorsätzlichen Übertretung des Jagdgesetzes schuldig gemacht, so die Anklage. Eine Busse von 8000 Franken sei angemessen.

«Jenseits der Verhältnismässigkeit»

An Schranken präsentierte sich ein bisher vollkommen Unbescholtener, der es noch jung in Militär und Beruf zu grossem Ansehen gebracht hat. Entsprechend strafempfindlich sei er, betonte sein Anwalt. «Bussen über 5000 Franken führen zum Strafregistereintrag, mein Mandant würde entlassen.» Das sei unverhältnismässig. Hinzu komme, dass der Abschuss des Hirschstiers nicht einmal verboten war. Wegen des Gleichgewichts, gab es allein die Vorgabe, bevorzugt die Zahl der Kühe zu reduzieren statt jene der Stiere.

Die Jagdgesellschaft hatte darum beschlossen, immer erst zwei Kühe, danach einen Hirsch zu schiessen. Eine graue Eminenz im Hintergrund überwachte dieses Prozedere peinlich genau, weil die stattlichen Stiere nach ungeschriebenen Regeln den Hoheiten im Verein zustünden. «Ich hatte Angst vor seiner Reaktion», bekannte der Angeklagte, deshalb habe er zur Notlüge gegriffen. Tatsächlich kam es später zur Auseinandersetzung in der Jagdgesellschaft, die mit einem Showdown an der Jahresversammlung und mit Rücktritten endete.

«Anklage hat zu viel Gas gegeben»

Weil all das aber vor allem nicht strafbewehrte, vereinsinterne Regeln betrifft, erfolgte ein Freispruch vom Vorwurf der vorsätzlichen Übertretung des Jagdgesetzes. «Es gab eine Angstkultur», hiess es, welche die Notlüge begünstigte. Lediglich das offensichtlich unkorrekte Anpeilen der Hirschkuh sei fahrlässig gewesen, hielt das Gericht fest. «Ein Versehen.» Dafür fällte es eine Busse von 800 Franken. «Der Berg hat eine Maus geboren», so das Fazit, schliesslich gehe es nicht um Vergewaltigung, Raub oder Menschenhandel. Der Verurteilte muss somit bloss einen Fünftel der Verfahrens- und der Anwaltskosten zahlen. Den Grossteil, rund 10'000 Franken, trägt der Steuerzahler.