Sind Sie ein stolzer Toggenburger?
Kilian Looser: Ich bin sehr stolz, ein Toggenburger zu sein. Denn dort, wo wir zu Hause sind, ist es sehr schön und wir sind «gmögige» Menschen.
Wie gerne repräsentieren Sie als Gemeindepräsident und als Präsident der Region Toggenburg Ihre Heimat?
Das mache ich gerne und es fällt mir auch nicht schwer. Ich sehe es auch als eine Ehre an, die Gemeinde Nesslau und die Region zu vertreten und ein Gesicht nach aussen zu sein.
Verglichen mit vor zehn Jahren: Wie beschreiben Sie die Entwicklung des Toggenburgs?
In der Region hat schon vor einiger Zeit eine merkbare Aufbruchstimmung eingesetzt. Sie ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Das hat auch damit zu tun, dass die Bevölkerung realisiert, wie gut wir es haben und stolz auf sich selbst ist. Diese Entwicklung regt den Toggenburger an, noch offener zu werden. Ich hoffe, wir können noch mehr Wir-Gefühl entwickeln.
Wäre es nicht wichtiger, dass der Toggenburger, der sich der Besonderheit und des Werts seines Tals bewusst ist, das auch nach aussen trägt?
Wir haben im Tourismusbereich gute Indikatoren für die Aussenwahrnehmung und wissen, dass das Toggenburg mit Werten wie der schönen Landschaft, der Natur, unserem guten Handwerk und unserem authentischen Auftreten verbunden wird. Schaut man die politischen Gremien im Kanton an, kann man den Eindruck bekommen, dass wir weit weg sind von St. Gallen, aber andere Regionen sind noch weiter weg. Wir müssen bei uns selbst beginnen. Bei einer Viehschau sitzen alle zusammen. Da käme niemand auf die Idee, dass es kein Wir gäbe. Warum also nicht auch in anderen Bereichen. Und wenn wir das erreicht haben, wird es automatisch nach aussen getragen.
Gibt es im Toggenburg überhaupt ein Wir? Der Wildhauser ist ein anderer Menschenschlag wie der Wattwiler, der Neckertaler oder der Kirchberger?
Der Wildhauser muss kein Wattwiler sein und umgekehrt auch nicht. Es reicht, wenn wir übergeordnet sagen: Wir sind stolz im Thur- und Neckertal sein zu dürfen. Wir alle erinnern uns an die erfolgreichen Zeiten mit zwei Schwingerkönigen und zahlreichen anderen eidgenössischen Kranzschwingern. Da sprachen alle von den Toggenburgern und viele fühlten sich angesprochen. Wenn man das ein bisschen weiterfassen könnte, ist das schon genug Wir-Gefühl.
Trotzdem: Die Region Toggenburg ist überzeugt, dass man das Wir-Gefühl noch verstärken kann und muss.
Wir wollen diesen Fokus jetzt setzen. Die Idee ist am Entstehen. Wir werden mehr Netzwerke und Möglichkeiten zum Austausch bieten, transparenter zeigen, was im Tal gemacht wird. Seit ich Präsident der Region Toggenburg bin, halten wir unsere Vorstandssitzungen nicht mehr in einem Gemeindehaus oder in der Geschäftsstelle ab, sondern wir gehen bewusst zu Unternehmen in der Region. Auf diese Weise merken wir, was unsere Unternehmen leisten und was alles in der Region hergestellt wird. Das versuchen wir positiv zu kommunizieren.
Die Massnahmen im Raumkonzept dienen der Entwicklung der Region. Wie soll dies passieren?
Bund und Kanton geben uns über die Raumplanung Aufgaben, mit denen wir uns beschäftigen müssen und auch wollen. Wir müssen beispielsweise sicherstellen, dass der Verkehr funktioniert und die Region nicht abgehängt wird. Wir definieren, wo die wirtschaftlichen Schwerpunktgebiete liegen, wo die Entwicklung stattfinden soll. Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen dem Kanton und den Gemeinden. Wir motivieren die Gemeinden, dass sie die Vorbereitungen treffen und bereit sind, wenn beispielsweise ein Unternehmen ins Toggenburg kommen will.
Steht das Toggenburg diesbezüglich in Konkurrenz zu anderen Regionen?
In erster Linie versuchen wir, die im Toggenburg beheimateten Firmen zu behalten. Wir stellen fest, dass gerade in Agglomerationen der Druck höher wird und Unternehmen weichen müssen. Diesen bieten wir Möglichkeiten, ohne aber in einen Konkurrenzkampf zu treten. Ich würde mir wünschen, dass der Kanton und besonders das Amt für Wirtschaft und Arbeit mehr Akquise betreiben würde bei Unternehmen, die weltweit oder europaweit tätig sind. Mit unseren Umfahrungsstrassen sind wir gut erschlossen, der Flugplatz ist so gut wie nebenan und wir bieten Möglichkeiten zum Arbeiten und zum Leben. Wir stehen ebenfalls im Austausch mit dem Wirtschaftsportal Ost in Wil, das Wil West ausbauen will. Wir finden es gut, was da passiert, aber wir geben unsere Industrieflächen nicht im Austausch dagegen ab.
Kann das Toggenburg profitieren, wenn Wil West realisiert wird?Ja, und zwar nicht nur die angrenzenden Gemeinden. Es wird auch möglich, dort zu arbeiten und im oberen Toggenburg zu wohnen.
Wird die Strategie vom Kanton unterstützt?
Ja, er unterstützt uns dabei. Wir führen jetzt Diskussionen um die Weiterentwicklung des Lerchenfelds in Bütschwil und erklären den Bedarf. Der Kanton geht da aber nicht aktiv voran, was wir bedauern.
Die Region schaut ausserdem, dass die Verkehrswege gut sind, die Rede ist von einer direkten Verbindung nach Zürich. Ist das kein Widerspruch?
Es braucht sowohl Arbeitsstellen in der Region als auch gute Verbindungen nach aussen. Der Bereich Wohnen funktioniert im Moment im Toggenburg sehr gut, der neu geschaffene Wohnraum wird besetzt. Langsam wird den Menschen bewusst, wie kostbar der Boden ist. Das müssen sie bei den Arbeitsplätzen noch lernen. Es gäbe noch viel Potenzial, um die Arbeitszonen besser zu nutzen. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass die ganze Bevölkerung nur bei uns arbeitet.
Es scheint, die Region setze stärker auf den ÖV. Ist damit der Autotunnel durch den Ricken vom Tisch?
Der ÖV in der Schweiz soll seine Auslastung von heute 20 auf 40 Prozent erhöhen. An diesem Ziel arbeiten wir mit. Wie sich der Verkehr aber entwickeln wird, weiss ich nicht. Über einen Strassentunnel durch den Ricken ist derzeit keine Rede, aber es ist einiges im Tun bei der Strasse über den Ricken. Derzeit wird eine Studie für den Ausbau der Rickenstrasse zwischen Wattwil und Neuhaus gemacht. Ein Tunnel könnte eine Lösung sein. Aus meiner Sicht wäre auch ein Eisenbahntunnel von Wattwil nach Bubikon optimal, dann hätten wir den Anschluss, den wir brauchen.
Dann steht der Strassentunnel nicht zuoberst auf Ihrer Prioritätenliste?
Der Ausbau der Rickenstrasse ist jetzt beim Kanton und den Standortgemeinden ein Thema und wir sind da auch involviert. Wer weiss, vielleicht resultiert ja daraus ein Tunnel.
Die Region setzt sich klar für eine stärkere Verbindung in Richtung Rheintal, Werdenberg und Liechtenstein ein. Was versprechen Sie sich davon?
In den Wirtschaftsregionen Rheintal und Liechtenstein brummt der Motor, wie man sagt. Diese Regionen liegen uns vor den Füssen. Das müssen wir uns bewusster machen, um davon zu profitieren. Es wäre doch für die Arbeiter in diesen Regionen attraktiv, im Toggenburg zu wohnen. Diese Idee wollen wir insbesondere im Obertoggenburg verfolgen. Aber für uns ist klar: Wattwil ist und bleibt das starke Zentrum für das Toggenburg. Die Gemeinde nimmt wichtige Aufgaben wahr, ist der Verkehrsknoten und dort hat es viele öffentliche Einrichtungen.
Das Raumkonzept besteht auf Papier und daraus muss man Massnahmen umsetzen. Wer übernimmt das?
Das ist klar definiert. Für jede Massnahme haben wir das Ziel, die Beteiligten, die Zuständigkeit und die nächsten Schritte definiert. Nicht alle Massnahmen sind die Aufgabe der Region. Wir sehen es aber als unsere Pflicht, zu motivieren, dass es da auch vorwärtsgeht.
Sind konkret Gemeinden oder Organisationen am Zug?
Ja, die sind jetzt gefordert. Wir von der Region übernehmen allenfalls koordinative oder administrative Aufgaben und schauen, dass man am Thema dranbleibt. Auch wenn sie nicht auf diese zusätzlichen Aufgaben gewartet haben, ist es uns wichtig, dass etwas vorangeht. Die meisten Massnahmen sind den Gemeinden sowieso schon bekannt.
Setzt man sich zusammen, zieht Bilanz und passt das Papier an?
Spätestens in zwei bis drei Jahren. Für mich muss das Raumkonzept rollend sein: arbeiten, überprüfen, korrigieren und weiterarbeiten.
Wie schwierig wird es sein, diese Aufgaben im Tagesgeschäft unterzubringen und innerhalb von einer längeren Zeit voranzubringen?
Steter Tropfen höhlt den Stein. Die Themen im Raumkonzept sind einer Gemeinde aber nicht fremd. Am Schluss geht es immer um Wohnen, um Leben, um Arbeiten. Einige Gemeinden sind da aktiver als andere. Wir wollen aber auf jeden Fall einen Schritt weitergehen und weiter etwas bewegen. Nicht nur darüber reden und es gut finden.