«Ein frisiertes Töffli mit über 90 km/h: Der Rekord war das bei weitem nicht»,
Ausgabe vom 15. Februar
Aus der Sicht des Vaters: Hässige Worte erfüllen das Haus, der Haussegen steht schief, schon seit Tagen. Ich habe einen Straftäter zu Hause, einen 16-jährigen Töfflibueb. Von der Staatsgewalt überführt, leider schon zum zweiten Mal. Er hatte keine Chance, der Gegner wird durch Steuermittel finanziert, verfügt über die neuste Technik und ist immer im Auftrag des Staates unterwegs – David gegen Goliath, Operation «Verkehrssicherheit». Ich fühle mich im Dorf wieder sicher, der Täter wurde überführt und wohnt bei mir zu Hause.
Versteht mich nicht falsch, ein Unfall mit 90 km/h endet mit schlimmen Folgen, ist mir klar. Das Töffli kann diese Höchstgeschwindigkeit erzielen, heisst aber nicht, dass er dauernd mit Vollgas herumfährt. Wochenlang mit grossem Sachverstand und Ausdauer am Töffli geschraubt, dabei viel über Mechanik gelernt, der Zweitakt-Motor – sein Leben. Kein «Ausgang», kein Saufen, kein Rauchen, kein Rumhängen, nur der Zweitakt-Motor. Und jetzt … den nackten Rahmen zu Hause (genauer: der zweite Rahmen), sogar die Weisswandreifen und die Felgen typenfremd, muss man als normaler Bürger nicht verstehen, ist aber so.
Die nächsten Tage erfüllt mit Ungewissheit, der Weg zur allseits belehrenden Staatsgewalt, zum Jugendanwalt, und der Entscheid des Strassenverkehrsamtes. Wie eingangs erwähnt, bei mir zu Hause sitzt ein Straftäter, Sie dürfen sich wieder sicher fühlen im Strassenverkehr, er fährt nur noch Velo, mit vorschriftsgemässer Beleuchtung, vielleicht typenfremd, aber es leuchtet.
Ich hoffe, mein Straftäter verliert die Freude am Schrauben nicht. Ich finde es eine sinnvolle und erfüllende Beschäftigung, zumal es in der heutigen Zeit genügend andere Versuchungen im Leben eines Teenagers gibt.
Michael Rüdisühli,
Neubüntweg 2, 9476 Weite