Erwähnt man heute Mulis oder Maultiere, wissen viele nicht, was dies für Tiere sind, obwohl sie viel für uns Menschen geleistet haben und immer noch leisten. Wie es oft der Fall ist, wird denjenigen, die brav ihre Arbeit verrichten, keine grosse Wertschätzung zuteil. Entsprechend wenig steht über sie geschrieben – es gibt aber auch Ausnahmen: Hanspeter Meier, ehemaliger Tierarzt an der Pferdeklinik der Uni Bern, hat in Büchern und Chroniken danach gesucht und würdigte an der Maultierausstellung in St. Luzisteig den Einsatz der Mulis für die Menschen.
Was sind Mulis?
Mulis sind Kreuzungen zwischen Pferden und Eseln. Sie gleichen äusserlich Pferden, aber sind leicht an den langen Ohren erkennbar.
Ist die Mutter eine Eselstute, dann nennt man die Nachkommen genau genommen Maulesel – ist die Mutter eine Pferdestute, dann heissen sie Maultiere. Der Einfachheit halber spricht man aber oft bei beiden von Maultieren oder Mulis.
Da die Kreuzungen die Eigenschaften von beiden Arten vereinigen, sind sie diesen oft überlegen. Mulis sind ausdauernder und weniger anspruchsvoll als Pferde, aber sie haben mehr Kraft als die kleineren Esel.
Mulis können sich nicht fortpflanzen, das heisst, sie sind unfruchtbar, müssen also immer neu gezüchtet werden. Es ist eigentlich eine vom Menschen für seine Bedürfnisse gezüchtete künstliche Art, die in der Natur kaum vorkommt.
Bescheidene Arbeiter an grossen Werken
Mulis sind Kreuzungen zwischen Pferd und Esel. Schon vor 5000 Jahren wurden sie in Ägypten und Mesopotamien domestiziert. Heute sind sie auf der ganzen Welt zu finden. Gemäss Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen sind es weltweit 15 bis 20 Millionen, wovon 95 Prozent in Entwicklungsländern leben.
Im 4. Jahrhundert vor Christus soll das Grabmonument Alexander des Grossen von 64 Maultieren von Babylon nach Ägypten gezogen worden sein. Aus Knochenfunden im Kanton Neuenburg liess sich nachweisen, dass es auch in der Schweiz damals schon Maultiere gab. Grosse Verdienste kamen ihnen beim Bau der Gotthard- und Jungfraubahn im 19. Jahrhundert zu. Die Mulis haben Kupferkabel gezogen und Sandsäcke transportiert – in vier Monaten über 1500 Tonnen auf über 1000 Meter über Meer.
Im Death Valley, das Tal des Todes in den USA, haben 18-spännige Maultiergespanne die über 30 Tonnen schweren Wagen mit Borax gezogen. Auch in Kriegen kamen Mulis beim Transport in unwegsamem Gelände zum Einsatz. Sowohl die amerikanische als auch die britische Armee übte sogar, sie an Fallschirmen zur Front zu bringen, so wichtig waren sie ihnen noch im 2. Weltkrieg.
Vorsichtige Transporteure bei der Ambulanz
Neben der vielfältigen Arbeit, welche Mulis vollbrachten, ist auch der ambulante Transport von verletzten und kranken Soldaten hervorzuheben. In Büchern des Engländers T. Longmore und des Amerikaners G.A. Otis Ende des 19. Jahrhunderts gibt es Abbildungen von Tragsesseln, Sänften oder Stangenschleifen für den Einsatz mit Maultieren.
T. Longmore hält fest, dass sich Mulis besser als Pferde für den Krankentransport eigneten, weil sie einen guten, gleichmässigen Schritt haben, den Weg unabhängig von Strassen sicher finden, weniger erschrecken als Pferde sowie härter und ausdauernder arbeiten.
«Mulis denken selbst», betont auch Hanspeter Meier, ehemaliger Tierarzt an der Pferdeklinik der Uni Bern. Hätten sie eine schlechte Erfahrung gemacht, seien sie in einer ähnlichen Situation umso vorsichtiger. Da helfe es nicht, ihnen Sturheit vorzuwerfen. Besser sei es, ihnen Zeit zu geben und ihnen die Angst zu nehmen.
Viele Mulis mussten im Krieg ihr Leben lassen. Hanspeter Meier nennt sie die «vergessenen Helden» unserer Zeit – sie starben nicht nur wegen Verletzungen, sondern auch vor Erschöpfung. Auch im zivilen Leben mussten Mulis schwere Arbeit verrichten. So zogen sie beim Treideln in verschiedenen Ländern Europas Schiffe auf Flüssen und Kanälen. Oft ist das Schicksal der Mulis mit demjenigen der Menschen verbunden. Wo die Kraft der Menschen nicht genügte, mussten die Tiere einspringen.
Sonderausstellung im Militärmuseum St.Luzisteig
In St. Luzisteig befand sich bis zum Jahre 2003 die Rekrutenschule der Traintruppen, also der Versorgungseinheiten, die mit Mulis und Freibergerpferden Waffen oder anderes Material transportieren.
Das Militärmuseum St. Luzisteig hat zusammen mit der Stiftung «Maultier Museum Schweiz» dem Muli eine Sonderausstellung vom 27. April bis zum 26. Oktober 2024 gewidmet – nicht zuletzt auch mit der Absicht, auf die ökologischen Vorteile der Arbeit mit Equiden hinzuweisen.
Über weitere Veranstaltungen an der Sonderausstellung gibt die Internetseite des Militärmuseums Auskunft.
Auf der Homepage von Maultier Museum Schweiz ist die neue, von Josefine Jacksch erstellte Maultier-Mediathek mit über 3000 Titeln aufgeschaltet.
Wertschätzung als treue Kameraden
So waren Maultiere noch im letzten Jahrhundert bei vielen Menschen im Wallis eine unentbehrliche Hilfe beim Transport von Holz oder als Reittier. In Entwicklungsländern wie Pakistan, Nepal oder Ägypten müssen Mulis heute noch in Kohleminen, in Ziegeleien oder in der Landwirtschaft schuften. Ihre Arbeit wird kaum wertgeschätzt. Gemäss einer Studie aus dem Jahre 2019 sind in Ägypten zwei Drittel der Maultierführer sogar der Auffassung, dass Maultiere für gute Arbeit geschlagen werden müssen.
In den meisten industrialisierten, europäischen Ländern erfahren Mulis heute als treue Kameraden mehr Wertschätzung als in manchen Entwicklungsländern. Als «Freizeittiere» dienen Maultiere Naturfreunden als Tragtiere auf Trekkingtouren, aber sie kommen auch als geländegängige und vorsichtige Transporttiere bei der alpinen Rettung, in der Armee, bei der Versorgung von Berghütten und sogar in der alpinen Klimaforschung zum Einsatz.
Die Schweizer Armee unterhält heute noch sechs Trainkolonnen mit Mulis und Freibergerpferden. Da Maultiere als Hybride die Gene von zwei verschiedenen Arten in sich tragen, dienen sie sogar zur Erforschung der Humangenetik, weiss Hanspeter Meier zu berichten.