Bodenseeraum erhält wohl mehr Gewicht | W&O

Ostschweiz 08.01.2025

Bodenseeraum erhält wohl mehr Gewicht

Die Ostschweiz kämpft in Bern für eine bessere Position in der Raumplanung. Jetzt hat sie einen ersten Erfolg erzielt.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 08.01.2025
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Aus Westen betrachtet hört die Schweiz hinter Winterthur auf: Dieser abgegriffene Satz hat zwar noch nie gestimmt. Dennoch kämpft die Ostschweiz immer wieder dagegen, aus nationaler Perspektive unterschätzt zu werden.

Das fängt schon bei der Raumplanung an. Deshalb forderten die Regierungen von St. Gallen, Thurgau und beiden Appenzell Ende 2023 eine neue Definition für ihre Region im Raumkonzept Schweiz. Dieses Konzept, ausgearbeitet von Bund, Kantonen, Städte- und Gemeindeverband, ist eine Orientierungshilfe für die Planung von Siedlungen und Infrastruktur – und eine Art Selbstbild der Schweiz.

Darin war bisher von der «Nordostschweiz» als «klein- und mittelstädtisch» geprägtem Raum die Rede. International verflochten zwar, aber im Wesentlichen doch ein «Satellit von Zürich», wie es in einer begleitenden Studie hiess.

Ein Grenzraum, aber keine Randregion

Diese Betrachtung ist aus Sicht der Ostschweizer Regierungen teilweise überholt. Die Leistungen und Stärken der Region seien nicht mehr angemessen abgebildet. Die Regierungen schlugen darum vor, dass die «Nordostschweiz» bei der aktuellen Überarbeitung des Raumkonzepts abgelöst wird durch den weiter gefassten «Internationalen Bodenseeraum».

Dieser grenzübergreifend vernetzte Raum habe zwar keine eigentliche Metropole – aber über 750’000 Einwohnerinnen und Einwohner, mehr als 400’000 Beschäftigte und eine exportstarke, innovative Wirtschaft.

Bodenseeraum erhält wohl mehr Gewicht

Mit anderen Worten: Die Ostschweiz soll nicht als Randregion verstanden werden, sondern als Teil eines internationalen Lebens- und Wirtschaftsraums. Ähnlich wie die Region Basel, die im Raumkonzept schon lange als «trinationaler» Raum beschrieben ist.

Gleichzeitig betonten die Ostschweizer Regierungen, es gehe nicht um eine Abgrenzung gegenüber Zürich, im Gegenteil. Der Thurgau und St. Gallen sind auch Mitglieder des Metropolitanraums Zürich.

Ostschweizer Forderung berücksichtigt

Jetzt zeigt sich: Die Ostschweizer Offensive hat gewirkt. Im Dezember ging der Entwurf für das neue Raumkonzept in die Vernehmlassung. Wie schon 2012 waren auch diesmal alle drei Staatsebenen an der Ausarbeitung beteiligt, vom Bund über die Kantone bis zu den Gemeinden.

Das Resultat: Die Schweiz ist immer noch in zwölf Räume eingeteilt, aber mit verschiedenen Anpassungen. Die Region «Nordostschweiz» ist tatsächlich verschwunden, ersetzt durch den «Internationalen Bodenseeraum».

Dieser ist sogar noch grösser als von den Ostschweizer Regierungen zunächst vorgeschlagen: Er erstreckt sich im Westen nicht nur bis Wil, sondern bis Frauenfeld, im Norden nicht nur bis Friedrichshafen, sondern bis nach Ravensburg. Das Attribut «kleinstädtisch geprägt» findet man beim Bodenseeraum nicht mehr. Er zählt laut dem Entwurf zu den Regionen mit «hoher Dynamik und grossem Potenzial für weitere wirtschaftliche Entwicklung».

Der neu entworfene Bodenseeraum ist ein Gebilde mit verschiedenen Zentren, die grössten sind St. Gallen und Konstanz mit je über 80’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Auf der Schweizer Seite der Region gibt es keine weiteren Gemeinden mit mehr als 30’000 Einwohnern, auf deutscher und österreichischer Seite hingegen schon: Friedrichshafen (63’000), Ravensburg (52’000), Dornbirn (52’000) und Radolfzell (33’000) gehören dazu.

Gegen Westen überlappt sich der Bodenseeraum mit dem Metropolitanraum Zürich, der seinerseits weite Teile des Thurgaus umfasst und bis zur Stadt St. Gallen reicht. Im Süden breitet sich der Bodenseeraum bis ins Sarganserland aus und überschneidet sich dort mit dem Raum Ostalpen, der hauptsächlich den Kanton Graubünden umfasst.

Das Linthgebiet liegt hingegen ausserhalb des Bodenseeraums, Rapperswil-Jona ist die einzige grössere Ostschweizer Stadt ausserhalb des Perimeters.

Durchbruch nach langem Zwist

Was sagen die Ostschweizer Kantone dazu? Noch nicht viel. Die Regierungen hätten den fertigen Entwurf für das Raumkonzept noch nicht beraten, heisst es auf Anfrage unserer Zeitung. Es sei aber «positiv zu werten, dass unser Anliegen aufgenommen wurde», schreibt das St. Galler Bau- und Umweltdepartement.

Das gemeinsame Bekenntnis der vier Kantone zum Bodenseeraum war ein Durchbruch. Früher war man sich in der Raumplanungsfrage nicht einig. St. Gallen versuchte, den «Metropolitanraum Bodensee» zu etablieren, während sich der Kanton Thurgau auf den Metropolitanraum Zürich konzentrierte.

Die Vernehmlassung zum Raumkonzept dauert noch bis 16. April. Danach stellt der Bund den Entwurf fertig. Ab September werden Bundesrat, Kantonsregierungen, Städteverband und Gemeindeverband das neue Konzept verabschieden – jeweils mit separaten Beschlüssen.