Seit zwölf Jahren leitet Beni Heeb als Rektor das Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs (BZB). Davor hatte er während zwölf Jahren die Abteilung Grundbildung geleitet – und vor fast 50 Jahren hat er als Maurerlehrling in Buchs die Schulbank gedrückt.
Beni Heeb kennt das BZB von allen Seiten. Mehr noch: Während vieler Jahre hat er die Schule geprägt. Am Ende dieses Schuljahres tritt er in den Ruhestand. Beni Heeb blickt auf eine bewegte Zeit zurück, in der sich nicht nur am BZB, sondern in der gesamten Berufsbildungslandschaft vieles verändert hat.
Beni Heeb, vor bald 50 Jahren besuchten Sie als Lehrling die Berufsfachschule Buchs. Was ist hängen geblieben?
Beni Heeb: In der Berufsfachschule ist die Freude am Lernen geweckt worden. Dass man lernen muss, um Erfolg zu haben, war eine neue Erfahrung für mich. Fasziniert hat mich die Verknüpfung von Theorie und Praxis, beeindruckt war ich auch vom damals sehr modernen BZB.
Zu Beginn Ihrer Berufstätigkeit haben Sie eine Handwerkerlehre gemacht. Wie hat Sie das geprägt?
Die Erfahrungen, die ich auf dem Bau gemacht habe, waren immer nützlich. Etwa, um Klartext zu reden. Gezehrt habe ich auch von der Entscheidungsfreudigkeit, die es nicht nur auf dem Bau braucht. Die Bauerfahrungen, egal ob als Maurer oder Architekt, haben mich gelehrt, das Einfache zu schätzen. Und sie haben mir gezeigt, wie wichtig eine langfristige Planung ist.
Welches sind die grossen Unterschiede von Ihrer Anfangszeit als Berufsfachschullehrer zu heute?
Vieles ist gleich geblieben. Die persönlichen Herausforderungen sind mehr oder weniger die gleichen. Viele Jugendliche sind heute ähnlich motiviert wie wir damals. Natürlich sind die gesellschaftlichen Veränderungen spürbar. Heute haben junge Menschen viel mehr Angebote in Freizeit und Bildung. Die grossen Veränderungen in der Schule beziehen sich auf die Unterrichtstechnologie und die Mediendidaktik. Damals kamen die Fotokopierer auf. Die Möglichkeiten der IT waren erst am Horizont erkennbar.
Es gibt oft Veränderungen, die fast aus heiterem Himmel angestossen werden. Auch am BZB?
Corona war ein solches Ereignis. Es wird eine Zeit vor und nach Covid geben. Der Lockdown hatte grosse Auswirkungen. Es wird seither viel mehr virtuell gearbeitet. Wir waren vor dem Lockdown bereit dafür. Diese Vorbereitung ist uns sehr zugute gekommen; ebenfalls dass wir viel in die Lehrerweiterbildung investiert haben. Wir haben «Neues Lehren und Lernen» gut umgesetzt, müssen aber aufpassen, dass persönliche Kontakte weiter gepflegt werden.
Was können heutige Lernende, was die Lernenden vor 30 Jahren noch nicht konnten?
Sie haben heute eine starke Auftretenskompetenz. Da ist viel passiert. Teils sind sie heute mutiger, etwas anzupacken. Andererseits fehlt oft auch der Biss, etwas durchzuziehen. Mir fällt auch auf, dass Lernende weniger gut schreiben wie früher und vor allem, dass viele keine persönliche Handschrift haben.
Wie haben sich Erwartungen der Lernenden verändert?
Die heutigen Lernenden lassen sich gern bedienen und gehen oft den Weg des geringsten Widerstands. Das ist die eine Seite, die andere ist: Die Erwartung ist gross, etwas zu lernen. Sie wollen für den späteren Berufs- und Lebensweg etwas mitnehmen. Für den Schulbetrieb ist das eine gute Voraussetzung.
Und die Herausforderungen für die Lehrpersonen?
Lehrpersonen haben hohe Ansprüche. Sie orientieren sich am Idealbild des Lehrens und Lernens. Die Lehrperson ist einerseits Allrounder, andererseits auch Spezialist. Das kann ein Spagat sein. Im Gegensatz zu früher unterrichtet die einzelne Lehrperson nicht mehr alle Fächer einer Fachrichtung. Die hohen Erwartungen der Lernenden, vor allem im Bereich Sozial-, Medien- und IT-Kompetenz, sind ebenfalls Herausforderungen.
Kommt in der Ausbildung etwas zu kurz?
Zum Beispiel Englisch. Darum kommt im Alltags- und Berufsleben einfach niemand herum. Jeder Lehrling müsste eigentlich eine Lektion Englisch haben. So weit sind wir noch nicht.
Welche Erwartungen müssen Berufsleute in Zukunft erfüllen?
Bisher waren Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit wichtig. Das bleibt so. Neu dazu kommt die Mobilität. Einerseits, dass man das Berufsfeld öffnet, andererseits geografisch. Dass man etwa für drei Monate ins Ausland geht. Ich habe auch die Erwartung an die jungen Berufsleute, dass sie neugierig sind und bleiben. Dass sie sich interessieren, was läuft, was Neues kommt. Und ganz speziell auch, dass sie Verantwortung übernehmen und hundertprozentigen Einsatz an den Tag legen.
Hat es in der Entwicklung der Berufsfachschullandschaft Sackgassen gegeben?
Wir haben in vielen Bereichen eine starke Reglementierung, ja fast schon eine Überreglementierung. Da muss man aufpassen, dass dies nicht zur Sackgasse wird. Es ist immer gefährlich, zu lange am Bestehenden festzuhalten. Es braucht Mut, Altes über Bord zu werfen. Sackgassen entstehen auch, wenn Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigt werden. Das kommt immer teurer.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Betrieben, Berufsverbänden und Familien entwickelt?
Sehr positiv. Unsere ersten Ansprechpartner sind die Betriebe. Mit ihnen funktionieren Austausch und Zusammenarbeit sehr gut. Die Eltern sind für uns eher weiter weg.
Was sind die Erwartungen von Politik und Wirtschaft an die Berufsfachschulen?
Sie sind hoch und gegenseitig. Einerseits wird erwartet, dass qualitativ hochstehende Berufsleute ausgebildet werden und junge Leute mündige, interessierte Erwachsene werden. Andererseits besteht die Erwartung an die Wirtschaft, dass wirklich ausgebildet wird. Das hat sich bewährt. Wichtig ist, dass es genug Lehrstellen gibt sowie dass auch Schwächere aufgenommen werden und eine Ausbildungschance erhalten.
Reagiert die Politik genug schnell auf neue Herausforderungen?
Oft behindert die Politik eine Entwicklung, sie kann aber auch wertvoll sein. Wichtig ist, dass der Rahmen so abgesteckt ist, dass Schulen auch für die Lehrpersonen attraktiv sind. Das gilt nicht nur für die Löhne, sondern auch für die Rahmenbedingungen. Es braucht genug finanzielle Mittel für die Infrastruktur. Wenn die Schule nichts fordert, kommt nichts. Weil die Politik oft zu träge ist, ist es wichtig, dass die Schulen möglichst autonom sind. Trotzdem gibt es Dauerbaustellen: Die Bildung von Kompetenzzentren ist seit Jahren überfällig.
Weiterbildung ist ein grosses Thema. Wird die Schule diesem Anspruch gerecht?
Ja. Schon vor Jahren haben wir entschieden, die Weiterbildung des BZB auf den 18 Berufen der Grundbildung aufzubauen und gleichzeitig Querschnittthemen wie Sprachen und IT anzubieten. Die Angebote sind aufeinander abgestimmt. Wichtig ist die Kooperation mit Nachbarschulen und privaten Anbietern. Unsere Angebote werden genutzt, sie sind ein voller Erfolg.
Was sind die nächsten Herausforderungen?
Zuvorderst steht die Umsetzung der Zusammenführung der Berufsschulen Buchs und Sargans. Weiter entwickeln wir attraktive Angebote in der Grund- und Weiterbildung. Ebenfalls steht die Realisierung des Hightech-Campus Buchs bevor.
Wie sieht die Berufsfachschullandschaft in 20 Jahren aus?
Vieles wird hybrid stattfinden. Doch auch wenn der Unterricht weitgehend in hybrider Form erfolgen wird, bleibt die Lehrperson die wichtigste Person im Schulzimmer. Die Verantwortung der Lehrerin und des Lehrers können wir nicht an ein IT-Tool übertragen.
Wird es noch mehr Spezialistinnen und Spezialisten geben oder wird es vor allem Allrounder brauchen?
Im klassischen Handwerk wird es vermehrt Spezialistinnen und Spezialisten geben. Sie müssen aber über den Zaun blicken und IT-mässig aufmerksam sein. In sich schnell verändernden Berufsfeldern wird es immer Allrounder brauchen. Ohnehin lassen sich Allrounder und Spezialist gar nicht so scharf trennen. Weil Spezialistinnen und Spezialisten auch einfache Arbeit verstehen müssen, sind sie auch Allrounder. Auch der Ingenieur wird mehr am Fliessband stehen.
Ist es vorstellbar, dass Berufsfachschulunterricht irgendwann nur noch digital erfolgt oder dass die Lehrperson durch einen Roboter ersetzt wird?
Gegenfrage: Wer ist der Dompteur des Lernens? (lacht) Um gewissen Druck kommen wir nie herum. Jemand muss Lernende begleiten und fordern. Selbstorganisiertes oder begleitetes selbstorganisiertes Lernen ist die Zukunft. Lehrpersonen entwickeln sich zu Coaches. Es braucht die Lehrperson aus Fleisch und Blut aber weiter.
Was empfehlen Sie den Lehrpersonen im Umgang mit den Lernenden?
Den Jugendlichen Kredit geben. Das kommt immer zurück. Ganz zentral: Die Schule soll immer Spass und Freude machen. Und schliesslich darf die Lehrperson der Wirtschaft in Sachen Berufsbildung immer auch eine Nasenlänge voraus sein.