Das Urteil des Kreisgerichtes vom Februar 2021 sprach eine deutliche Sprache. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass ein Arzt eine Patientin bei der Geburtsvorbereitung zu einer sexuellen Handlung missbraucht hatte. Es ging um eine Dammmassage zur Vorbeugung eines Dammrisses – einer häufigen Komplikation während einer Geburt.
Im Rahmen dieser Dammmassage, zu der die Frau eingewilligt hatte, ging der Arzt dazu über, ihr auch das Genital zu massieren. Die Patientin, völlig überrumpelt, hochschwanger und in Seitenlage, konnte sich nicht wehren, hiess es in der Berichterstattung zu jener Gerichtsverhandlung.
Berichterstattung machte Frau hellhörig
Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland jedenfalls verurteilte den Arzt wegen Schändung zu einer Freiheitsstrafe und zur Zahlung einer Genugtuungssumme. Vor allem aber: Das Kreisgericht verhängte ein Berufsverbot. Das Urteil ist indes noch nicht rechtskräftig, weil es ans Kantonsgericht St. Gallen weitergezogen wurde.
Die Berichterstattung vom Februar 2021 über den sexuellen Missbrauch einer Schwangeren durch einen Frauenarzt machte eine andere Frau hellhörig. Ihr war nämlich Ähnliches widerfahren. Im Rahmen einer gynäkologischen Nachkontrolle nach einer Operation wurde sie aufgefordert, eine «Vierfüsslerstellung» einzunehmen.
Der Arzt soll dann mit seinen Fingern in die Scheide der Frau eingedrungen sein, wobei er absichtlich die Klitoris berührt und sie zu erregen begonnen habe. Die Frau sei darauf erstarrt, heisst es in der Anklageschrift.
Schuldspruch wegen Schändung
Sie habe sich vorgenommen, in besagter Stellung und ruhig zu bleiben, bis der Arzt fertig war. Nach dem vaginalen Untersuch «von hinten» ging es der Frau nicht gut, sie fühlte sich schwindlig. Das habe sie dem Arzt auch kundgetan; dieser habe jedoch nicht darauf reagiert.
Dieser kürzlich verhandelte Fall vor Kreisgericht führte zu einem Schuldspruch wegen Schändung, verbunden mit einer bedingten Freiheitsstrafe und einer Genugtuungszahlung. Dazu verbot das Gericht dem Mann für die Dauer von fünf Jahren die Tätigkeit als selbstständiger oder unselbstständiger Arzt. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
In beiden Fällen handelt es sich um denselben Angeklagten
Die beiden geschilderten Fälle hängen insofern zusammen, als es um denselben, inzwischen nicht mehr berufstätigen Arzt geht. Während die Frau in Fall 1 den Vorfall fünf Jahre danach zur Anzeige gebracht hatte, datiert das Erlebnis der Frau in Fall 2 vom Sommer 2012 – liegt also noch weiter zurück.
Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils in diesen beiden Fällen von Schändung gilt für den Frauenarzt die Unschuldsvermutung.