«Der Hund soll Spass im Schnee haben»: Wie Lawinenhunde ausgebildet werden | W&O

07.02.2023

«Der Hund soll Spass im Schnee haben»: Wie Lawinenhunde ausgebildet werden

Fabian Eberhard bildet im Verein Hundesport Toggenburg Lawinenhunde aus. Heinz Brecht war viele Jahre Ausbilder für Rettungshunde. Anfang März wird sich zeigen, ob die ausgebildeten Hundeteams an den Schweizer Meisterschaften für Lawinenhunde auf der Schwägalp zu den besten der Schweiz gehören.

Von Urs M. Hemm
aktualisiert am 28.02.2023
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Der Hundeführer steht mit seinem Hund unterhalb des etwa 9000 Quadratmeter grossen Lawinenfeldes. Oben, an der Abbruchkante des Lawinenfeldes, sind Einfahrtspuren von Skifahrern zu sehen, die plötzlich abbrechen. So oder so ähnlich könnte die Ausgangslage für eine Aufgabe an den Schweizer Meisterschaften für Lawinenhunde aussehen. «Aufgrund dieser Angaben muss der Hundeführer unter Einbezug von Witterungseinflüssen, Wind, Geländeform und allfälliger Gefahren die Situation erfassen und abschätzen, wo die Verschütteten am wahrscheinlichsten unter dem Schnee begraben sein könnten», erläutert Heinz Brecht vom Verein Hundesport Toggenburg und jahrelanger Aus­bilder von Lawinen-, Such- und Rettungshunden.

Der Zeitfaktor ist entscheidend

«Wichtige Anhaltspunkte können auch ein Rucksack oder Skistöcke sein, die aus dem Schnee herausragen», sagt Fabian Eberhard. Der 40-Jährige ist seit vier Jahren technischer Leiter der Lawinenhundeausbildung beim Verein Hundesport Toggenburg.
Die Einschätzung der Gesamtheit all dieser Punkte entscheidet darüber, wie und wo der Hundeführer seinen Hund zur Suche ansetzt und losschickt.
 Heinz Brecht und Fabian Eberhard (rechts).
Heinz Brecht und Fabian Eberhard (rechts).
Bild: Urs M. Hemm
«Entscheidend ist die Zeit, bis der Gegenstand oder die Personen gefunden werden», sagt der 77-jährige Brecht. 20 Minuten seien das absolut oberste Zeitlimit. Denn die Überlebenschancen einer verschütteten Person nehmen im Ernstfall von Minute zu Minute drastisch ab. Weitere Beurteilungskriterien für die Experten vor Ort sind die Einschätzung der Lage durch den Hundeführer sowie das taktisch richtige Einsetzen des Lawinenhundes. Punkte werden vergeben für: Beurteilung der Lage, für das richtige Einsetzen des Hundes, für das Anzeigen des Figuranten und für das Finden des Gegenstandes. Die 24 besten Lawinenhundeführer mit ihren Tieren messen sich am Wochenende des 4. und 5. März auf der Schwägalp an der Schweizer Meisterschaft für Lawinenhunde, die in diesem Jahr vom Verein Hundesport Toggenburg organisiert wird.

Im Welpenalter mit Training beginnen

«Viele Rassen sind gut geeignet für die Ausbildung zum Lawinenhund. Ganz grosse, schwere Hunde oder kurzhaarige Vierbeiner mit wenig Unterwolle eignen sich dazu jedoch nur bedingt», sagt Heinz Brecht. «Für die bisweilen langen Wartezeiten im Schnee kommen robuste, witterungsfeste Hunde eher ­zurecht», ergänzt Fabian Eberhard.
 Bei der Rettung ist die Arbeit im Team ist unerlässlich.
Bei der Rettung ist die Arbeit im Team ist unerlässlich.
Bild: PD
«In der Hauptsache aber muss der Hund lauf- und suchfreudig sein sowie Arbeitseifer und gute Führbarkeit an den Tag legen», sagt Heinz Brecht. Stimme dazu noch das Verhältnis zwischen Hundeführer und dem Tier als Team, stehe einer erfolgreichen Ausbildung zum Lawinenhund nichts im Weg. Mit der Ausbildung zum ­Lawinenhund sollte so früh wie möglich, also bereits im frühen Welpenalter, begonnen werden. Man kann mit seinem Hund einfache Spiele im Schnee machen, wobei aber das Wachstum des Hundes und die Be­lastbarkeit nicht überfordert werden dürfen. «Wichtig ist, dass sich der Hundeführer ­konsequent durchsetzt. Gleichzeitig soll der Hund Spass an den Übungen und im Schnee haben. Deshalb soll der Hund­ ­jeweils mit einem Spielzeug oder einem Leckerli belohnt werden. Das motiviert den Hund zusätzlich», sagt Fabian Eberhard.
 Einfache Übungen im Schnee bilden die Basis für eine erfolgreiche Ausbildung zum Lawinenhund.
Einfache Übungen im Schnee bilden die Basis für eine erfolgreiche Ausbildung zum Lawinenhund.
Bild: PD
Ausserdem werden die Hunde gezielt auf die Personensuche trainiert. «Das findet dann im Gelände statt. Figuranten werden auf rund zwei bis zweieinhalb Meter Schneetiefe eingegraben, welche die Hunde dann finden müssen», erklärt Eberhard. Ziel der Ausbildung sei nicht nur das Auffinden der Person selbst. Es wird auch grossen Wert auf das konsequente Anzeigen von Personen und Ge­genstände gelegt.
Denn der Hund soll beim Fundort bleiben und dort ununterbrochen scharren und nicht wegrennen, damit der Hundeführer den genauen Standort kennt.

Alternative Übungseinheiten

Als Einstieg in die Rettungshundeausbildung empfehlen Brecht und Eberhard die Begleithundeausbildung. «Dort werden der Grundgehorsam wie Bei-Fuss-Gehen, das Apportieren, das Folgen einer ausgelegten Fährte, aber auch das Verhalten des Hundes in Alltagssituationen geübt. Sei dies im Verkehr, die Begegnung mit Joggern und Velofahrern oder das Kreuzen eines fremden Hundes», erläutert Heinz Brecht. Diese Übungen bilden die Voraussetzung für die Ausbildung zum Lawinenhund.
 Hundeführer und Hund bleiben bei der Suche in stetem Kontakt.
Hundeführer und Hund bleiben bei der Suche in stetem Kontakt.
Bild: PD
Beherrschen Hundeführer und Hund die Übungen aus der Begleithundeschulung bereits, können ohne Schnee aber auch Übungseinheiten aus der Sanitätshundeschulung geübt werden. «Dort geht es um das Suchen und Finden von Personen oder Gegenständen im Gelände, beispielsweise im Wald», erklärt Fabian Eberhard. Dies passiere mittels der sogenannten systematischen Quersuche eines markierten Geländeabschnitts. Für jede Sparte, sprich Begleithund, Sanitätshund oder Such- und Rettungshund, wie es der Lawinenhund einer ist, gibt es abgestuft drei Klassen, wobei die Stufe drei dem höchsten Schwierigkeitsgrad entspricht. Will man an den Schweizer Meisterschaften teilnehmen, muss ein Team jedes Jahr neu die Prüfung auf Niveau drei ablegen und dabei die nötige Punktzahl für die Zulassung erreichen.
 Ist der Hund fündig geworden, schart er als Zeichen für den Hundeführer.
Ist der Hund fündig geworden, schart er als Zeichen für den Hundeführer.
Bild: PD

Kosten bleiben beim Hundeführer

Die Kosten für die Ausbildung eines Lawinenhundes betragen pro Jahr zwischen 3000 und 4000 Franken. «Das sind vor allem Reise- und Hotelkosten, denn wir müssen dahin reisen, wo es Schnee hat. Zudem sind die Prüfungen oft nicht in der Ostschweiz, sondern irgendwo im Berner Oberland oder in den Walliser Alpen, was weite Wege bedeutet. Dazu kommt das Ausbildungsmaterial, das jede und jeder selbst bezahlen muss», sagt Fabian Eberhard. Zwar übernehme der Verein einen Teil der Kosten. «Aber nur alleine mit den Mitgliederbeiträgen lässt sich natürlich nicht alles abdecken», sagt er.
 Für den Grossteil der Ausrüstung kommen die Hundeführer selber auf.
Für den Grossteil der Ausrüstung kommen die Hundeführer selber auf.
Bild: PD
Die Ausbildung der Lawinenhundeteams im Verein Hundesport Toggenburg ist in erster Linie reiner Sport. «Wir werden nur im äussersten Notfall zur Unterstützung angefordert und auch nur dann, wenn das Unglück in unmittelbarer Nähe passiert ist. In der Regel sind ausschliesslich Führer-Hund-Teams des Schweizer Alpenclubs (SAC) bei Lawinenunglücken im Einsatz. Dies, weil sie in den entsprechend lawinengefährdeten Gebieten direkt stationiert und daher auch schnell am Einsatzort sind», sagt Heinz Brecht.