Wer den Fisch macht, wie es umgangssprachlich heisst, verschwindet. Bei hohen Temperaturen wird für kälteliebende Fische aus der Wendung traurige Realität: Im Hitzejahr 2018 verendeten in der Schweiz rund 90 Prozent der Äschen in warmen Flüssen. Die ebenso schöne wie sensible Fischart – 2016 zum Schweizer Fisch des Jahres gewählt – ist existenziell gefährdet, droht ganz aus den nationalen Gewässern zu verschwinden.
Umso wertvoller ist der unermüdliche, von zahlreichen Freiwilligen mitgetragene Einsatz, der im Umfeld von Aufzuchtanlagen geleistet wird. So auch im Werdenberg, wo im Fischereiverein Werdenberg meist pensionierte Vereinsmitglieder die Brutanlage betreuen. Als vorletzte Woche ein Pensionär an einem Samstag die Anlage zum Füttern der Fische betritt, trifft er auf leblose Fische (der W&O berichtete). «Alle Tiere sind tot», alarmiert er Christian Schwendener, Vorstandsmitglied des Fischereivereins, telefonisch. Schwendener, der zu diesem Zeitpunkt beim hitzebedingten Notabfischen mithilft, fährt zur Anlage am Böschengiessen und muss feststellen: Ein kleiner Rest von höchstens 1000 Fischen hat überlebt; 2200 Jungtiere sowie rund 3000 Muttertiere sind an Sauerstoffmangel eingegangen.
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Bereits vor Jahren hatte sich der Fischereiverein Werdenberg an den Kanton St.Gallen gewandt, eine Besichtigung vor Ort gefordert und eine Idee für den Bau einer neuen Wasserleitung vom rund 200 Meter entfernten Sevelerbach skizziert. «Ich war an zahlreichen Sitzungen in St.Gallen, doch eine Lösung wurde bis anhin nicht gefunden», sagt Schwendener nach dem Vorfall gegenüber dem «Werdenberger & Obertoggenburger». Hätten sich die toten Äschen verhindern lassen? Wurden vonseiten des Kantons Fehler begangen?
Keine Lösung trotz zahlreicher Sitzungen
Der Pensionär und Christian Schwendener schauen sich in die Augen, sagen kein Wort. Schwendener:In diesem Moment funktionierst du einfach, mehr nicht.Wie konnte dies passieren? Als Todesursache vermutet Schwendener die hohen Temperaturen in Kombination mit der spärlichen Frischwasserzufuhr. Der Wasserstand des angrenzenden Böschengiessen sei in der Nacht von Freitag auf Samstag ruckartig zurückgegangen, sagt Christian Schwendener. Zu unvermittelten Ereignissen in der Natur komme es immer mal wieder, sagt er: «Doch der Turnus wird aktuell immer kürzer.» Zuletzt spitzte sich die Situation am Böschengiessen, aus dem der Fischereiverein das Wasser bezieht, zu: Wasserentnahmen für Industriebetriebe oder die Landwirtschaft wurden im Gebiet des Böschengiessens bewilligt, Biber richteten Dämme ein – inzwischen fliesst das Gewässer nicht mehr, es plätschert vor sich hin.
Der Kanton zeigt sich betroffen
Zumindest keine offensichtlichen Fehler, heisst es beim Kanton St.Gallen auf Anfrage:Rückblickend hätten alle Parteien einer gesicherten Versorgung der Fischzuchtanlage mit genug und kühlem Wasser mehr Beachtung schenken müssen.Das Ereignis sei überraschend gekommen und mache betroffen – auch beim Kanton. Die Vermutung allerdings, dass die Abflussverhältnisse im Böschengiessen von den bewilligten Wasserbezügen beeinflusst worden seien, treffe nicht zu. Dies habe eine Abklärung gezeigt. Überdies sei 2021 eine Messstation beim grössten Zufluss des Böschengiessens installiert worden, die einer regelmässigen Kontrolle dient. Die Daten der Messstation sollen nun auch helfen, den Vorfall im Werdenberg weiterführend zu untersuchen. Dass die Zusammenarbeit zwischen dem Fischereiverein Werdenberg und dem Kanton St.Gallen – wo das Amt für Natur, Jagd und Fischerei sowie das Amt für Wasser und Energie zuständig sind –, ansonsten konstruktiv verlaufe, bestätigt Christian Schwendener. Er wolle den Kanton nicht angreifen, doch vieles in der Zusammenarbeit erfordere jeweils Geduld:
Es dauert meist zu lange.Beim Kanton verweist man auf die Vielschichtigkeit des Themas, zwischen den Zeilen der schriftlichen Stellungnahme schimmert eine gewisse Ohnmacht hindurch. Infolge der Klimaveränderung seien die Wasserressourcen stark unter Druck; die aktuelle Trockenheit werde wöchentlich beurteilt, bei Bedarf Massnahmen eingeleitet. Doch selbst mit Massnahmen könne ein Trockenfallen von Gewässern nicht im jedem Fall verhindert werden.