Über den konstant kalten aber niederschlagsarmen Winter häuften sich keine grossen Schneereserven an, weshalb es wenig erstaunt, dass diese bereits weitgehend weggeschmolzen sind.
Statt flächendeckend mit weissen Kappen erscheinen die Alpen in sattem Grün mit hie und da noch vereinzelt erkennbaren Schneefeldern. Dass zu Beginn der Alpzeit noch Schnee auf den Hochalpen liegt, ist aber wichtig für die Wasserreserven über die Sommermonate.
Bis zu zwei Wochen früherer Start als im Vorjahr
Letztes Jahr um diese Zeit fiel mancherorts sogar noch Schnee und die frühesten Alpen wurden an den letzten Maitagen bestossen. Dieses Jahr ist man ähnlich früh dran wie 2020, das heisst ein paar Tage vor dem langjährigen Durchschnitt. Die ersten Hirten zog es mit ihrem Vieh bereits letzte Woche auf ihre Sommerresidenzen.
Nächste Woche wird der Grossteil der Alpbetriebe «z’Alp» fahren. Aufgrund der geringen Schneereserven werden die Hochalpen heuer bis zu zwei Wochen früher starten als letztes Jahr.
Je höher die Alpen liegen desto kürzer ist die Zeit zwischen Vegetationsbeginn und Weidereife. Dauert diese auf 1000 m ü. M. zirka 35 Tage, beträgt sie auf 1800 m ü. M. gerade noch halb so lange.
Vorfreude mit gemischten Gefühlen
Die Alpwirtschaft spielt auch heute noch eine wirtschaftlich wichtige Rolle für die Landwirtschaft und diese wiederum für die Flora und Fauna der Alpenwelt. Während ein Grossteil der Landwirte aus den Talregionen vorwiegend das Jungvieh sömmert, so sind es bei den Bergbauern oft die gesamten Viehbestände welche die Sommermonate auf den Alpbetrieben verbringen.
«Die Erweiterung der Futterfläche des Heimbetriebes», «die positive Wirkung auf die Tiergesundheit» und «die Arbeitsentlastung auf dem Heimbetrieb» sind die wichtigsten Gründe, weshalb Landwirte ihre Tiere alpen.
Exponentielles Wachstum von Wölfen
Hört man sich in alpwirtschaftlichen Kreisen um, dann ist es aber nicht das Wetter oder der frühe Alpstart die zu reden geben, viel mehr sind es die Sorgen und Ängste um das Vieh und die Zukunft der Alpwirtschaft.
Waren es vor zehn Jahren nur vereinzelte Wölfe die durch unser Land streiften, stieg deren Anzahl bis 2018 auf 50 Tiere, 2020 auf 105 Tiere und letztes Jahr bereits auf 148. Dieses exponentielle Wachstum stellt die Landwirtschaft und vor allem die Alpwirtschaft vor grosse Herausforderungen.
Wölfe könnten Rinder angreifen
Waren bislang vor allem Kleinviehalpen betroffen, muss zukünftig auch auf Rindviehalpen mit Wolfsangriffen gerechnet werden. Rinder können schlechter vor Wolfangriffen geschützt werden und auch ihr Verhalten gegenüber den Raubtieren ist anders als das von Schafen. Rinder sind Fluchttiere, viel schreckhafter als Schafe und das Risiko von Abstürzen ist höher.
Auswirkungen hat die zunehmende Wolfspräsenz auch auf die Rekrutierung des Alppersonals. Zum einen ist es die zusätzliche körperliche Belastung durch den Mehraufwand und zum andern die emotionale Belastung für Hirten mit Respekt und Ehrfurcht vor unserem Alpvieh.
Molke ist Ergänzungsfutter: Die Schweine freuen sich
Auf den ersten Alpbetrieben wurde bereits wieder mit der Produktion des neuen Alpkäses begonnen. Bis wir den ersten Alpkäse mit Jahrgang 2022 geniessen können, müssen wir uns aber noch ein wenig gedulden bis dieser herangereift ist.
Um die Wartezeit zu überbrücken werden Alpmutschli hergestellt, welche eine kürzere Reifedauer haben. Weil Alpkäse ab dem ersten Alptag nachgefragt wird, gibt es viele Alpen welche einen kleinen Teil der letztjährigen Alpkäseproduktion für den Start der neuen Alpsaison auf der Alp lassen. Durch die kalten Temperaturen über den Winter reift dieser nämlich nicht weiter.
Es ist allgemein bekannt, dass beim Käsen das Nebenprodukt Molke (Schotte oder Sirte) entsteht. Teilweise werden aus der Schotte Molkedrinks oder Alpziger hergestellt, die Nachfrage nach solchen Produkten ist aber zu gering und aus wirtschaftlicher Sicht nicht interessant.
Schon seit jeher verfüttert man daher dieses Nebenprodukt als Ergänzungsfutter an die Schweine. Die Alpschweine der Alp Schanerberg und viele andere freut es, denn aus diesem Grund dürfen sie auf die Alp.
Im Sinne des traditionell noch auf vielen Alpen gerufenen Alpsegens, wünschen wir allen Älplerinnen und Älplern und ihren Tieren für den Alpsommer 2022 ein «Bhüet’s Gott».
Hinweis: * Marco Bolt ist Alpwirtschaftsberater am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Salez.
Beratung auf Webseite: Die Herdenschutzberatung am Landwirtschaftlichen Zentrum SG (LZSG) in Salez betreibt eine Informationsstelle und informiert laufend über die Umsetzung der Sofortmassnahmen Herdenschutz 2022 auf der Webseite des LZSG.