Die Hoffnung nicht aufgegeben: Natascha Coppola musste 15 Monate auf ein Herz warten | W&O

22.02.2022

Die Hoffnung nicht aufgegeben: Natascha Coppola musste 15 Monate auf ein Herz warten

Die Wattwilerin Natascha Coppola feiert diesen Monat ihren zehnten Herzgeburtstag. Mit dabei sind Familie, Freundinnen, Freunde und eine Torte – natürlich herzförmig.

Von Chiara Gerster
aktualisiert am 28.02.2023
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Seit zehn Jahren lebt die Wattwilerin Natascha Coppola mit einem neuen Herzen. Diesen Monat feiert sie ihr Herzjubiläum. Mit dabei sind Familie, Freundinnen, Freunde und eine Torte – natürlich herzförmig. Auf dem Couchtisch in ihrer hellen, modern eingerichteten Wohnung steht eine Vase aus Keramik. Ebenfalls in Form eines Herzens. Eine Freundin schenkte es ihr zum letztjährigen Herzgeburtstag. «Für mich ist es ein wichtigerer Tag als mein ursprünglicher Geburtstag. Denn ohne mein neues Herz würde ich nicht mehr leben», sagt die 46-Jährige. «Aus Dank widme ich den Tag meiner Spenderin oder meinem Spender.» Von ihrem Balkon sieht man direkt auf das Spital Wattwil. Sie sei froh, dass nach der Spitalschliessung weiterhin ein Notfallzentrum betrieben werde.
Wenn ich mich unwohl fühle und mein Hausarzt nicht da ist, ist das meine erste Anlaufstelle.
Drei Herzoperationen als Kind Coppola ist mit einem komplexen Herzfehler zur Welt gekommen. Als dreimonatiges Baby hatte sie ihre erste Herzoperation, mit 15 Monaten die zweite. Während ihrer Kindheit und Jugend in Wattwil habe sie ihr Herz nicht gross beeinträchtigt: «Einzig im Leistungssport war ich nicht gleich ausdauernd wie die anderen Kinder.» Mit 13 Jahren hatte Coppola ihre dritte Herzoperation. Zwei Löcher mussten geschlossen werden. «Dann hatte ich eine Weile Ruhe.» Sie absolvierte eine Lehre als Kauffrau und arbeitete Vollzeit. Als mit 25 Jahren Herzrhythmusstörungen begannen, verschlechterte sich ihr Herz. «Ich wollte damals klar wissen, was mir bevorsteht und mir wurde gesagt, dass es auf eine Herztransplantation hinauslaufen wird.» Diese Gewissheit sei ein Schock für sie gewesen. Transplantation war die einzige Option Neun Jahre später erbrachte ihr Herz noch 40 Prozent seiner ursprünglichen Leistung. «Eine Transplantation war dann die einzige Option», sagt die Wattwilerin. 2010 kam sie auf die Warteliste. Sie musste über 15 Monate auf den lebensrettenden Anruf warten. Eine sehr lange Zeit: Gemäss Swisstransplant betrug die durchschnittliche Wartezeit 2010 dreieinhalb Monate.
Ich habe mich immer wieder gefragt, ob überhaupt noch rechtzeitig ein passendes Organ kommt.
«Es war nicht angenehm.» Man müsse aber bedenken, dass die Menschen heutzutage sogar im Schnitt beinahe ein Jahr auf ein neues Herz warten müssen – bei anderen Organen noch länger. Auch die Pandemie habe die Wartezeiten nicht verkürzt: Weil die Leute weniger unterwegs waren, habe es weniger Spenderinnen und Spender gegeben. Denn in der Regel kommen vor allem Unfallopfer in Frage, bei denen der Hirntod festgestellt wurde. Hoffnung nicht verloren «Auf der Warteliste zu stehen, ist ein Ausnahmezustand», sagt Coppola. Es sei aber wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren und sich nicht gehen zu lassen. «Mir war es beispielsweise wichtig, weiterhin zu meinem Coiffeur zu gehen und eine gute Falle zu machen.» Ihr sei es zunehmend schlechter gegangen: Sie hatte Mühe mit Atmen und Wassereinlagen im ganzen Körper. «Man musste mir das Wasser mit Wassertabletten entziehen – das war sehr unangenehm.» Mitte Februar 2012 erhielt Coppola den langersehnten Anruf. Sie hatte 15 Minuten Zeit, sich bereit zu machen, dann stand die Ambulanz vor der Tür und sie wurde ins Unispital Zürich gebracht. Neun Wochen Krankenhaus Ihre Herztransplantation sei nicht ohne Komplikationen verlaufen: «Danach war ich noch einige Tage auf der Intensivstation», sagt Coppola. Nach insgesamt neun Wochen Krankenhaus und Aufbautraining in der Reha kehrte sie zurück nach Hause. Anfangs habe sie Unterstützung von ihrer Mutter gebraucht. Doch ihr Gesundheitszustand verbesserte sich und nach sieben Monaten konnte Coppola wieder 20 Prozent in der Buchhaltung eines Wattwiler Kleinbetriebs arbeiten. Ins Fitness ging sie von Anfang an – ihr Herz musste trainiert und an ihren Körper gewöhnt werden. «Am Anfang ist es komisch mit einem neuen Herz», sagt Coppola. «Aber ich war sehr froh, es zu haben.» Sie frage sich schon, von wem das Organ komme – um dessen Umfeld zu schützen, wird die Identität der Spenderin oder des Spenders nicht offengelegt. «Mein Gefühl sagt mir, dass mein Herz von einem jungen Mann stammt», sagt Coppola. Wieder ein Teilzeitjob Mit der Zeit ging es ihr immer besser. Sie begann Teilzeit in der Kinderbetreuung zu arbeiten. «Mein Traumjob», sagt Coppola. Zuerst seien es wenige Stellenprozente gewesen – über die Jahre wurden es immer mehr. Nur einmal erlitt Coppola einen Rückfall: «Durch die Immunsuppressionen habe ich einen Parasiten aufgelesen.» Den Vorfall habe sie mit einer Antibiotikatherapie wieder in den Griff bekommen. Alles in allem dürfe sie mit ihrem Verlauf zufrieden sein.
Im Moment geht es mir gut.
Wieder Reiten und Skifahren Sie treibt jede Woche Sport, geht wieder Reiten und Skifahren. «Es ist wichtig, dass man am Ball bleibt.» Sie habe sogar an kleineren Läufen teilgenommen, und auch wenn sie sich meist im hinteren Drittel klassierte, habe sie sich immer gefreut, die Ziellinie zu überqueren. Nun freue sie sich besonders auf die Reise nach Südafrika im Sommer. Coppola sei ein grosser Fan des sonnigen Afrikas:
Ich bin ein Sonnenmensch.
Angst vor der Pandemie Reisen war in den vergangenen zwei Jahren coronabedingt schwieriger. In Sachen Hygienemassnahmen war die Pandemie jedoch keine grosse Umstellung für Coppola: Massnahmen, wie Hände desinfizieren oder Maske im Flieger tragen, hatte sie schon zuvor beachtet. Die erste Welle der Pandemie habe ihr aber trotzdem grosse Angst bereitet. Die Ärztinnen und Ärzte rieten ihr, den ersten Monat nicht arbeiten zu gehen – man wusste nicht, wie sich Corona auf Menschen mit einem transplantierten Organ auswirkt. «Es hat sich nachher zum Glück bestätigt, dass wir nicht so stark gefährdet sind», sagt Coppola. Sie fände es allerdings wichtig, dass man sich zum Schutz der Mitmenschen impft. Auseinandersetzen mit dem Tod Im Mai steht eine Abstimmung zur Widerspruchslösung bei der Organspende an. «Auf der Warteliste habe ich die Hoffnung nie verloren», sagt Coppola. In vielen Fällen sehe die Realität aber anders aus: «Menschen stehen auf der Warteliste und sterben, weil sie nicht rechtzeitig ein Organ erhalten.» Ausserdem seien die Prognosen besser, je früher man das neue Organ erhalte:
Je geschwächter man bei einer Operation ist, desto länger dauert es, sich zu erholen.
Menschen würden sich zu wenig Gedanken machen Deshalb sei es sehr wichtig, dass die Widerspruchslösung angenommen werde. «Es nützt ja niemandem etwas, die Organe zu behalten.» Ein Grund für den Mangel an Organen sei, dass sich die Menschen zu wenig Gedanken zum Thema machten. «Die Leute setzen sich lieber mit dem Leben auseinander als mit dem Tod.» Es könne aber alle treffen. Deshalb sei es wichtig, sich die Frage zu stellen: Was, wenn ich oder meine Liebsten betroffen wären?