51-mal hiess es in der abgelaufenen Zeltainer-Saison: «Bühne frei». Martin Sailer hat sich mit dem Programm 2022 wieder einmal selbst übertroffen. Der Zeltainer-Chef sagt:
Besonders unter der Zurückhaltung des Publikums leiden die Newcomer der Kleinkunstszene. Wenn sie nur etwa 30 Besuchende ins Theater locken, wird sich manch ein Veranstalter fragen, ob er sie künftig noch einmal verpflichten will. Dabei sind genau diese Künstlerinnen und Künstler auf Auftrittsmöglichkeiten angewiesen, um sich in der Branche einen Namen zu machen.
Eigentlich denke ich jedes Jahr, etwa 30 Veranstaltungen würden genügen.Doch am Schluss werden es mehr und mehr, häufig wird sogar noch kurz vor Druckbeginn des Programmhefts ein neuer Termin eingefügt. Nach den Spielzeiten 2020 und 2021, die stark von der Coronapandemie beeinträchtig worden waren, ging die Saison 2022 endlich ohne Einschränkungen über die Bühne. Trotzdem war sie nicht wie in der Vor-Corona-Zeit.
Top-Acts ziehen immer, Newcomer haben es schwer
Das lässt sich auch in Zahlen fassen. Martin Sailer erläutert:Nehmen wir beispielsweise Michal Elsener, der immerhin schweizweit bestens bekannt ist. Kamen früher 180 Leute zu seiner Vorstellung in den Zeltainer, so waren es diesmal weniger als halb so viele.Natürlich gab es absolute Top-Acts wie Bliss oder Lapsus, die je zweimal im Zeltainer auftraten. Diese Vorstellungen waren subito ausverkauft. So war es schon vor Corona und so wird es wohl auch bleiben.
Mehr Zuschauer als 2021
Die Menschen hätten sich während Corona «kulturentwöhnt», hat Martin Sailer zum Ende der Spielzeit 2021 gegenüber dem «Toggenburger Tagblatt» gesagt. Damals musst er einen Zuschauerrückgang von 5000 in einem durchschnittlichen Jahr auf höchstens 2000 hinnehmen. Heuer waren die Zahlen besser, denn keine der geplanten Vorstellungen fiel Corona zum Opfer. Ausserdem wurden die 3-G-Regel und der Maskenzwang aufgehoben. Die «Kulturentwöhnung» spürte der Zeltainer gleichwohl, auch wenn die Zuschauerzahlen im Vergleich zu 2021 wieder wesentlich besser waren.Keine Klagen, sondern nüchterne Feststellungen
Im Gespräch mit W&O macht sich Martin Sailer auf die Suche nach den Ursachen. «Ich will nicht etwa klagen», schickt er voraus, und meint dann etwas salopp:Während der Pandemie sind offenbar alle Gärtner geworden.Nichts gegen das Gärtnern, betont er. Damit bringt der Zeltainer-Betreiber lediglich zum Ausdruck, dass sich viele Menschen in ihr Heim zurückgezogen, neue Hobbys im engsten Umfeld entdeckt und Netflix-Abos abgeschlossen haben. Ihr Freizeitverhalten hat sich verändert, offenbar über die Pandemie hinaus. Viele Leute, insbesondere auch die etwas älteren, die den grössten Teil des Zeltainer-Publikums ausmachen, fühlen sich in grosser Gesellschaft noch immer nicht richtig wohl. Ein Serien-Abend im neuen Sofa vor der neuen Riesen-TV – Corona lässt grüssen – mit einigen guten Freunden wird oft einer öffentlichen Veranstaltung vorgezogen.
Statt sechs- nur noch zweimal pro Saison
Das spürt Sailer auch beim Verkauf der Saisonabonnements. Einige hätten nun darauf verzichtet, ihm aber versichert, sie kämen dann schon irgendwann wieder zurück. Andere Gäste, die früher pro Saison bis zu sechs Vorstellungen besuchten, kämen heute nur noch zweimal in den Zeltainer. Ausserdem würden die Tickets immer kurzfristiger gekauft. Martin Sailer schildert all dies nüchtern und betont erneut:Ich will nicht klagen, denn mir geht es ja eigentlich gut. Der Zeltainer hat treue Sponsoren und Unterstützer.Er wünscht sich aber doch, dass die Leute ihren Balkon und ihren Garten nun endlich gesehen haben und dass sie ihr Leben wieder vermehrt in Gesellschaft geniessen. Denn alle, die 2022 im Zeltainer waren, haben wohl schnell realisiert, was ihnen in den letzten beiden Jahren gefehlt hat.