Der Zustand der Linde hat sich über die letzten Jahre zusehends verschlechtert. Der mächtige Baum ist innen stark verfault, sodass die tragenden Äste durch Spannseile gesichert werden mussten.
Dennoch sind bei Regen- oder Windwetter immer wieder grosse Äste herabgestürzt.
Die Vorsteherschaft hat sich nach einer Beratung deshalb dazu entschieden, den Baum stark zurückschneiden zu lassen und damit zu erhalten. Dies schreibt sie in einer Mitteilung.
Eine Zeugin der Pestzeit
Gemäss Eintragung in den alten Kirchenbüchern wurde die Linde im Jahr 1629 während der Pestzeit gepflanzt. Im Wartau sollen damals 700 Menschen an dieser schlimmen Seuche gestorben sein.
Auf das Grab von sieben Männern, alle mit Vornamen Hans, soll dann die Linde gepflanzt worden sein. Beim grossen Dorfbrand in Gretschins 1930 hat die Pestlinde mit ihren mächtigen Stammästen die Kirche vor dem Feuer geschützt.
Anlässlich der Kirchenrenovation 1946 wurde von der Baukommission beschlossen, den Baum zu fällen, da er dem Dach schade. Der Widerstand in der Gemeinde war aber so gross, dass davon abgesehen wurde.
Kirchbürger wurden mehrfach informiert
Im Wissen, das auch heute noch viele Wartauer Kirchbürger mit der Linde emotional stark verbunden sind, hat die Vorsteherschaft in über den Kirchenboten, den W&O und auch über eine Informationsveranstaltung auf den Zustand der Linde hingewiesen und den Kirchbürgern Gelegenheit zur Meinungsbildung und -äusserung gegeben.
Sie hofft nun, das Wahrzeichen vor der Kirche Gretschins mit regelmässiger Pflege noch viele Jahrzehnte erhalten zu können.
Nach Einschätzung von Experten können alte und angeschlagene Linden bei fachmännischer Pflege lange so weiterleben.
Die Linde von Gretschins – Ein Gedicht
Ein uralt Gotteshaus, auf Fels gebaut
ein Häuflein alter Giebel heimattraut
liegt still im Winkel hinter Bäumen breit
zur Frühlingszeit, ein Stücklein Ewigkeit.
Es lüftelt leis – und lind vom Waldessaum
bald weht es fort im alten Lindenbaum
und Blatt um Blatt erweckend über Nacht
beschirmt die Kirche er in neuer Pracht.
Dem Baum beim Friedhof ist der Lenz ein Fest
umsonst raunt’s nicht in Zweigen und Geäst.
Verschlafen irgendwo ein Brunnen rauscht,
das Lied der Kirchenlinde er belauscht.
Ich wuchs empor zum starken, mächt’gen Baum,
dreihundert Jahr und mehr – ein kurzer Traum.
Geschlechter schwanden hin, als wie im Flug,
es naht und geht ein langer Ahnenzug.
Hoch über Gräbern grünt es Jahr um Jahr,
seitdem im Land das grosse Sterben war.
Der schwarze Tod, er mähte hier mit G’walt
wohl siebenhundert Menschen – jung und alt.
Der Messmer starb, verwelkte wie ein Greis,
sein Sohn der pflanzte mich als junges Reis
wo sieben Hansen ruhen – welche Klag,
begraben allesamt am selben Tag.
Und andere Menschen kommen, andere gehn,
ein rastlos Wanderns ist’s – nur ich bleib stehn,
als Wächter hier und stiller Mahner auch,
dem, der vorüber zieht – nach altem Brauch.
Die Turmuhr knarrt, es schlägt zur Mitternacht,
noch geht es Stunden bis der neue Tag erwacht.
Die Burgruine Wartau schläft und schweigt,
bis dort am Hang das erste Zirpchen geigt.
von Jakob Kuratli