«Sie haben mir sozusagen Flügel verliehen», schreibt eine OhO-Begünstigte in einer Dankeskarte an den Beirat. Als würde sie ihre Aussage unterstreichen wollen, hat sie ein Engelchen in die Karte geklebt.
Sie hat von «Ostschweiz hilft Ostschweiz» eine Spende für ein ÖV-Abonnement erhalten, damit sie ihre kranke Tochter jederzeit im Spital besuchen kann. «Ich bin unendlich dankbar!», schreibt sie am Ende der Karte.
Mehr Menschen in Not, weniger Spenden
Im Jahr 2024 wurden 3275 Gesuche registriert – das sind 525 Gesuche mehr als im Vorjahr. Damit wurde ein neuer Höchstwert erreicht. «Grund für die steigende Zahl von Menschen in Not könnten unter anderem die steigenden Lebenshaltungskosten, Krankenkassenprämien und Mietkosten sein», sagt Astrid Bill, Geschäftsführerin von OhO. Selbst wenn das Geld für das Nötigste reiche, bleibe für Unvorhergesehenes wenig bis gar nichts übrig.
Die Anzahl Spenden im Vergleich zum Vorjahr ist etwa gleich geblieben, während sich die Spendensumme um mehr als eine halbe Million Franken verringert hat. Trotzdem ist eine stattliche Summe von 2,1 Millionen Franken im vergangenen Jahr zusammengekommen, was das anhaltende Vertrauen und die Solidarität der Ostschweizerinnen und Ostschweizer zeigt.
Grösserer Spielraum als ein Sozialamt
Margrit Stadler ist seit der Gründung von OhO seit 20 Jahren im Beirat. «Mir ist aufgefallen, dass es viel mehr Menschen gibt, die in Geldnot sind», sagt sie.
Vor allem Familien und alleinerziehende Mütter seien davon betroffen. Viele Gesuchstellerinnen und -steller haben hohe Schulden – ein Antragsgrund, den OhO eigentlich nicht unterstützt. Trotzdem liege es drin, mal einen Mietzins oder Ähnliches zu übernehmen, damit die Betroffenen «mehr Luft» haben.
OhO hat zwar Richtlinien, die vorschreiben, wer eine Spende erhält. Im Gegensatz zu einem Sozialamt hat die Spendenaktion einen grösseren Spielraum. Stadler sagt:
Wir können einfach aus dem Herz sprechen und beispielsweise zusätzliches Weihnachtsgeld bewilligen.
Die Verantwortung gegenüber den Spendern dabei im Blick zu behalten, ist ihr allerdings wichtig. Die Spenden sollen für Zwecke eingesetzt werden, die auch im Sinn der Spenderinnen und Spender sind.
Herz und Verstand: So arbeitet der OhO-Beirat
Die eingegangenen OhO-Gesuche werden von einem der 14 ehrenamtlichen Beiratsmitglieder bearbeitet. Jedes Mitglied bearbeitet seine Gesuche eigenständig und nimmt sich die Zeit, jeden Fall einzeln zu beurteilen. Wenn nötig werden zusätzliche Unterlagen angefordert und Anrufe getätigt. Kleinere Beträge werden eigenständig bewilligt, grössere werden im Plenum des Beirats besprochen.
Für die Annahme oder Ablehnung eines Antrages ist die Mehrheit der Beirätinnen und Beiräte nötig. Ein Mitglied berichtet über den zu beurteilenden Fall. Die Geschichte der Antragstellerin oder des Antragstellers wird noch einmal durchgesprochen und der beantragte Betrag diskutiert. Schliesslich wird entschieden, ob das Gesuch als unterstützungswürdig angesehen wird. Dabei kann es auch mal zu Diskussionen im Beirat kommen. Dieses System stellt sicher, dass die Entscheide des Beirats auch einer gewissen Kontrolle unterliegen.
Vielfältige und berührende Geschichten
Die Besprechung der Gesuche im Plenum schätzt Elmar Metzger an OhO sehr. Der ehemalige Gemeindepräsident von Flawil gehört erst seit kurzem zum Beirat. «Ich habe gestaunt, wie viele Gesuche eingereicht werden und wie vielfältig sie sind», sagt Metzger. Eine Geschichte hat ihn sehr berührt: eine 50-jährige Frau, die Probleme mit dem Sehen hat und dadurch extrem eingeschränkt im Alltag ist.
Wegen zu grosser Augenoberlider benötigte sie dringend eine Operation, die von der Krankenkasse nicht übernommen wurde. Der Leidensdruck war so gross, dass das Leben für sie kaum noch erträglich war. «Besonders bemerkenswert war, dass die Frau trotz geringer finanzieller Mittel nur einen Teilbetrag der Operation von OhO finanziert haben wollte», sagt Metzger. Nach verschiedenen Abklärungen konnte er der Frau den Betrag schliesslich bewilligen.
Mit kleinen Gesten kann Grosses erreicht werden
Ein weiteres Mitglied des Beirats ist Angelo Bont. Er war früher Leiter der Sozialen Dienste in Oberriet und ist seit 2018 dabei. Das vergangene Jahr bezeichnete er als besonders arbeitsintensiv. Auch wenn OhO nicht alle Probleme lösen kann, wird doch vielen Menschen geholfen. Bont sagt:
Manchmal ist es eine moralische Unterstützung in Form eines Weihnachtsgeschenks oder einfach eine Aufmunterung oder Motivation. Viele Leute tragen eine grosse Last auf ihren Schultern.
Bont ist dankbar für den guten Ruf, den OhO in der Ostschweizer Bevölkerung geniesst. Für die Zukunft wünscht er sich, dass die Spenderinnen und Spender weiterhin so fleissig spenden.
Auch wenn aufgrund der wirtschaftlichen Lage selbst gut verdienende Personen mehr aufs Geld schauen müssen
Der gute Wille sei aber bei vielen Menschen vorhanden. Herzerwärmend: Bont hat schon erlebt, dass Asylsuchende spenden, obwohl sie selbst kaum Geld haben.