Die Schweiz auf einer besonderen Mission: Carl Hilty und die direkte Demokratie | W&O

10.07.2022

Die Schweiz auf einer besonderen Mission: Carl Hilty und die direkte Demokratie

Der Vortrag auf dem Schloss Werdenberg beleuchtete das Schaffen des Wissenschaftlers und Politikers sehr gut.

Von Martina Bocek
aktualisiert am 28.02.2023
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Für das Bekanntmachen der Gedanken und Werke von Prof. Dr. Carl Hilty (1833 bis 1909) lud das Carl-Hilty-Forum zu einem ganz besonderen Anlass in das Schloss Werdenberg ein. Hubert Hürlimann, Präsident des Vorstands des Carl-Hilty-Forums, begrüsste die zahlreichen Besucherinnen und Besucher mit einladenden Worten. Der Vortrag von Prof. Dr. Stefan G. Schmid zum Thema «Carl Hilty und die direkte Demokratie» in den ehrwürdigen Räumen des Schlosses Werdenberg stiess auf grosses In­teresse. Der gut besuchte Anlass ermöglichte den interessierten Besucherinnen und Besuchern ei­nen sehr guten Einblick in das Thema. Es war ein sehr interessanter und informativer Anlass.

Die Vorteile des Referendums erkannt

Der historisch und philosophisch denkende Jurist Carl Hilty schrieb der direkten Demokratie eine erzieherische Wirkung zu, wobei er besonderes Gewicht auf das Referendum als «Eckstein der politischen Freiheit» legte. Carl Hilty, der dem zeitgenössischen Parlamentarismus kritisch gegenüberstand, gehörte ab Ende 1890 selbst dem Nationalrat an. Dort hatte sich der Freisinnige gleich zu Beginn seiner Tätigkeit mit der Einführung der Volksinitiative auf  Teilrevision der Bundesverfassung auseinanderzusetzen. Der Vortrag beleuchtete sehr gut Carl Hiltys Beitrag als Wissenschaftler und Politiker zur Grundlegung der modernen Demokratie in der Schweiz. Prof. Dr. Stefan G. Schmid, Ordinarius für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Verfassungsrecht an der Universität St. Gallen, verstand es ausgezeichnet, dem interessierten Publikum das Wirken und Schaffen von Carl Hilty zum Thema «direkte Demokratie» näherzubringen. Zum Einstieg berichtete der Referent von seiner ersten Begegnung mit den Werken Carl Hiltys. Anschliessend erörterte er ausführlich das für Carl Hilty zentrale Instrument des Referendums. Carl Hiltys Überlegungen zu den Vorteilen des Referendums gegenüber dem reinen Repräsentativsystem sind nach wie vor aktuell. Er legte grösstes Gewicht auf den Zusammenhang zwischen den Volksrechten und der Freiheit, war er doch davon überzeugt, dass nichts besser zur Freiheit erziehe als die Freiheit selbst.

Eine besondere Mission in der Welt zu erfüllen

Carl Hilty setzte hier ein gebildetes, massvolles, vernünftiges und politisch reifes Volk vo­raus. Diese politische Reife traute er noch 1890 einzig den Schweizern zu. Er beschrieb die Schweiz denn auch als ein Land, das eine besondere Mission in der Welt zu erfüllen habe. Den Parlamentarismus betrachtete er als «notwendiges Übel» und verstärkte diese Aussage mit den Worten, das Parlament gleiche einer Aktionärsversammlung, die materielle Interessen in den Vordergrund stelle. Das Gesetzesreferendum sah er als Korrektiv dieses defizitären Parlamentarismus. Dabei bevorzugte er das obligatorische Referendum. Das fakultative Referendum betrachtete er dagegen als blosse Übergangslösung.

Ständige Beschäftigung mit Verfassungsarbeit

Prof. Dr. Stefan G. Schmid zeigte in seinem Vortrag auf, dass sich Carl Hilty hier geirrt hatte: Das fakultative Gesetzesreferendum gilt im Bund bis heute und hat sich langfristig auch in fast allen Kantonen durchgesetzt; als Übergangslösung hat sich also vielmehr das obligatorische Gesetzesreferendum erwiesen. Dagegen sah Carl Hilty die Auswirkungen der im Bund 1891 eingeführten Volksinitiative auf die politische Kultur der Schweiz richtig voraus, so etwa, dass das Volk von nun an ständig mit Verfassungsarbeit beschäftigt sein würde. Nach der Würdigung Carl Hiltys beantwortete der Referent die Fragen aus dem Publikum sehr kompetent. Es war dies wahrhaft ein sehr interessanter Anlass auf dem Schloss Werdenberg. Der grosse Applaus des Publikums würdigte und ehrte Prof. Dr. Stefan G. Schmid und zeigte ihm, wie sehr sein Vortrag gefiel.