«Kotelett-Kaiser», «Schlachtbaron», «König der Schweine», «Wurstheini» – deutsche Medien haben Tönnies-Chef Clemens Tönnies diverse Spitznamen verpasst. Und meist haben sie mit Fleisch zu tun.
Kein Wunder, ist doch die Tönnies Holding aus Ostwestfalen die grösste Fleischverarbeiterin Deutschlands, rund doppelt so gross wie die nächsten Mitbewerber Westfleisch und Vion Food Group.
Das Familienunternehmen beschäftigt 16500 Mitarbeitende, setzte 2021 rund 6,2 Milliarden Euro um (800 Millionen weniger als 2020) und schlachtet im Jahr mehr als 20 Millionen Schweine, allein 16 Millionen in Deutschland. «Tönnies ist fast so gross wie alle Schweizer Schlachthöfe zusammen», sagte Mitte 2020 Ronny Hornecker, Verwaltungsratspräsident des Schlachtbetriebs Zürich (SBZ).
Und nun kommt Tönnies, gegründet 1971, in die Schweiz: Diesen Monat ist im Handelsregister die Tönnies Schweiz AG eingetragen worden, worüber als erstes die Lebensmittelinformationsplattform Konsider berichtet hat.
Firmensitz des jungen Unternehmens ist Azmoos im Werdenberg. Als Zweck der Gesellschaft genannt werden der Vertrieb von Fleischerzeugnissen, Lebensmitteln und Convenienceprodukten. Und sie kann Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland errichten.
Der Chef persönlich als Verwaltungsratspräsident
Als Verwaltungsratspräsident der Tönnies Schweiz AG ist Clemens Tönnies persönlich eingetragen. Weitere Verwaltungsräte sind Christopher Rengstorf, Leiter der Tönnies-Division Beef (Rindfleisch), und René Engler aus Sevelen. Er ist zudem einziger Verwaltungsrat der Carnatrade AG, und an deren Adresse in Azmoos ist auch die Tönnies Schweiz AG domiziliert. Abgang bei Schalke 04 Den Fleischverarbeiter Tönnies kennt in Deutschland jedes Kind, und sein Chef Clemens Tönnies (66) ist bekannt wie ein bunter Hund, und das über die Landesgrenzen hinaus. Das liegt auch am Fussball: Ab 2001 präsidierte Clemens Tönnies den Aufsichtsrat des FC Schalke 04, für den er Anfang 2007 den russischen Gaskonzern Gasprom als Hauptsponsor gewann (diese Kooperation hat der Verein Ende Februar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vorzeitig beendet). 2019 leistete sich Tönnies eine rassistische Äusserung, blieb aber nach einer Auszeit vorerst im Amt. Mitte 2020 trat er als Schalke-Präsident doch zurück, dies nach massiver Kritik an ihm als Folge von Covid-19-Ausbrüchen unter den Angestellten in der Grossmetzgerei am Sitz in Rheda-Wiedenbrück. Behördlich angeordnete Massentests ergaben im Juni 2020, dass sich von 6139 getesteten Mitarbeitenden im Tönnies-Stammwerk deren 1413 mit dem Coronavirus infiziert hatten, ebenso wie weitere 353 Personen aus dem Umfeld dieser Beschäftigten. Wiederholt stand die Tönnies-Gruppe in der Kritik wegen schlechter Bezahlung, Arbeitsbedingungen und Unterbringung von Fleischzerlegern, die vornehmlich aus Südosteuropa stammen. Im November 2021 war Clemens Tönnies zu Gast in Thal am 75-Jahr-Jubiläum der Rudolf Schär AG, einem Betrieb der Migros-Industrie. An diesem Anlass beschönigte Tönnies nichts, sagte aber, wer 50 Jahre Glück gehabt habe, der müsse auch mal was aushalten können. Er sagte ausserdem, die Unterbringung und auch die vertraglichen Bedingungen würden verbessert und neu geregelt. Weitere Kontroversen um die Tönnies-Gruppe drehten sich beispielsweise um illegale Entsorgung von Schlachtabfällen, Falschetikettierung von Hackfleisch, illegale Preisabsprachen bei Fleischwaren, die unzulässige Videoüberwachung von Angestellten selbst in Umkleide- und Duschräumen oder Machtkämpfe zwischen Clemens Tönnies und seinem Neffen Robert Tönnies. Vergangenes Jahr haben sich die Streithähne vorerst versöhnt. Carnatrade ist als Beratungs- und Beschaffungsgesellschaft im Markt für Fleisch- und Wurstwaren tätig. Laut dem gelernten Metzger Engler, der 18 Jahre in leitenden Funktionen für die Bündner Trockenfleischherstellerin Albert Spiess AG arbeitete, geht es bei Carnatrade um kundenspezifische Beschaffung von Fleisch in der Schweiz, der EU, in Südamerika und Australien, um nationalen und internationalen Handel und um Beratungen und Projektmanagement.Werdenberger Carnatrade soll den Boden bereiten
Über sein Verhältnis zur Tönnies Schweiz AG schreibt Engler auf Anfrage, er übe für diese Gesellschaft ein Beratungsmandat aus, wofür er von Tönnies direkt angefragt worden sei. Für Fragen betreffend der Pläne der Tönnies Schweiz AG verweist er an den deutschen Tönnies-Sitz. Leiter der Tönnies-Unternehmenskommunikation ist Fabian Reinkemeier. Einen Fragenkatalog zur Tönnies Schweiz AG und deren Absichten beantwortet er summarisch. Das Unternehmen sei «eine klassische Vertriebsgesellschaft, wie wir sie in zahlreichen anderen europäischen Ländern auch haben». Für den Start in der Schweiz als «neuer Markt» zähle Tönnies auf «die Beratungsexpertise von Carnatrade». Über die konkreten Pläne schreibt Reinkemeier:Der Fokus liegt auf dem Vertrieb von Edelteilen deutscher Rinder, Convenienceprodukten sowie auf unserem vegetarischen und veganen Sortiment.Weitere Details gebe es noch nicht zu verkünden.