Ehemaliger Verwaltungsratspräsident von Bus Ostschweiz hält Skandal für Farce | W&O

09.07.2022

Ehemaliger Verwaltungsratspräsident von Bus Ostschweiz hält Skandal für Farce

Hans Frei aus Diepoldsau, ehemaliger Verwaltungsratspräsident des öffentlichen Verkehrsbetriebs, findet es unseriös und unzulässig, der Bus Ostschweiz und ihren Verantwortlichen Subventionsbetrug zu un­terstellen, «ohne entsprechende Vorabklärungen getroffen zu haben».

Von Gerd Bruderer
aktualisiert am 28.02.2023
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  Bus Ostschweiz (BOS) soll getrickst und unrechtmässig Subventionen bezogen haben. Kürzlich hat das Bundesamt für Verkehr sogar ein Strafverfahren eröffnet. Es geht darum, dass Bus Ostschweiz (RTB Rheintal Bus, Wil-Mobil und Bus Sarganserland Werdenberg) von 2012 bis 2018 abgeschriebene Fahrzeuge ihrer Tochtergesellschaft BOS Service verkaufte und die verkauften Fahrzeuge sodann von ihrer Tochterfirma mietete. Zu jener Zeit war Hans Frei aus Diepoldsau Verwaltungsratspräsident des öffentlichen Verkehrsbetriebs. Er findet es unseriös und unzulässig, der BOS und ihren Verantwortlichen Subventionsbetrug zu un­terstellen, «ohne entsprechende Vorabklärungen getroffen zu haben». Der Kanton, das Bundesamt für Verkehr (BAV) und das kantonale Amt für öffentlichen Verkehr seien von Anfang an informiert gewesen. Für dieses Interview hat Hans Frei auf Wunsch eine schriftliche Stellungnahme vorausgeschickt, auf die im Gespräch Bezug genommen wird. Hans Frei, der so genannte Subventionsskandal, der Bus Ostschweiz eingeholt hat, begann 2012. Davor herrschte eine Praxis von Überabschreibungen. Was heisst das? Hans Frei: Die Überabschreibungen waren gesetzlich vorgesehen. Im Gesetz hiess es, nach Ablauf der Abschreibungsdauer seien Abschreibungen zulasten der Rechnung weiterhin möglich, der entsprechende Betrag müsse aber der Spezialreserve für die Beschaffung neuer Busse zugewiesen werden. Die Abschreibungsdauer wurde bei jeder Busbeschaffung mit dem BAV festgelegt. Ab 2012 hat Bus Ostschweiz abgeschriebene Fahrzeuge der Tochtergesellschaft verkauft und sie zu einem Preis, der unter dem Marktpreis lag, von der Tochtergesellschaft gemietet. Können Sie verstehen, dass mir dies als doch recht eigenartiger Trick erscheint? Jein. Wir hätten die Busse auch verkaufen und neue anschaffen können, wären aber nicht günstiger gefahren. Die Abschreibun­gen wären mindestens gleich, wenn nicht höher ausgefallen. Die Miete lag unter dem Abschreibungswert und deutlich tiefer als eine marktgerechte Miete. Sowohl das Unternehmen als auch der Kanton als grösster Einzelaktionär profitierten von unserem Vorgehen. Können Sie bitte erklären, was dieses Vorgehen dem Unternehmen gebracht hat? Die Mieteinnahmen unserer Tochtergesellschaft wirkten sich positiv auf ihr Ergebnis aus. Wird das Tochterunternehmen gestärkt, ist das auch für die Muttergesellschaft gut. Die Muttergesellschaft hat auf diese Weise aber mehr Subventionen erhalten, was unrechtmässig gewesen sein soll. In der Branche entsprach das nun beanstandete Vorgehen unter den damaligen Rahmenbedingungen einer gängigen Praxis. Angenommen, ein Un­ternehmen entschied sich dafür, Busse von Anfang an zu leasen, fielen nach Ablauf der Abschreibungsdauer ebenfalls Mietkosten an, sofern die Busse weiterhin im Einsatz standen. Hätten Sie sich über die Zulässigkeit des Vorgehens nicht besser informieren und sich absichern sollen? Das von uns gewählte Modell wurde im Verwaltungsrat und mit der Revisionsstelle besprochen. Im Verwaltungsrat war der Kanton mit einem hochrangigen Beamten vertreten. Auch wurde jährlich die Offerte, die dem Leistungsauftrag durch den Kanton zugrunde liegt, mit dem kantonalen Amt für öffentlichen Verkehr erörtert. Die Mietverträge mit der Tochtergesellschaft waren einer von vielen Punkten. Sie sagen, der Kanton St. Gallen als grösster Einzelaktionär von Bus Ostschweiz sei im Verwaltungsrat vertreten gewesen und habe somit stets über alles Bescheid gewusst. Ich nehme an, Sie haben dieses Argument gegenüber dem Kanton vorgebracht. Ja, unter anderem in einer schriftlichen Stellungnahme Anfang Januar an den zuständigen Regierungsrat Beat Tinner. Ich habe nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass ich nicht in das Verfahren einbezogen bin, sondern ausserhalb stehe. Wer hat jährlich die Buch­haltung geprüft? Die Rechnungsabteilung des Amtes für öffentlichen Verkehr hat die Jahresrechnung zusammen mit dem Bundesamt für Verkehr geprüft. Wir bekamen Jahr für Jahr bestätigt, dass die Rechnung unter subventionsrechtlichen Gesichtspunkten in Ordnung sei. Auch die Revisionsstelle hat sich so geäussert. Sie schreiben, das Amt für öffentlichen Verkehr und das BAV hätten «keine anderen Buchhaltungsunterlagen eingesehen und geprüft, sondern den gleichen Sachverhalt anders interpretiert.» Wollen Sie damit sagen, die Finanzkontrolle bezeichnet heute ein Verhalten als illegal, an dem sie zuvor jahrelang nichts auszusetzen hatte? Ja. Dem Bund geht es wohl um einen Versuch, nach dem Postautoskandal doch noch irgendwie zu zeigen, dass man Zähne hat. Und der Kanton, der aus nicht verständlichen Gründen seine Aktien abtreten will, hofft vielleicht auf schnelles Geld. Aus Ihrer Sicht ist der «Subventionsskandal» eine Farce. Sie sagen, es sei niemand getäuscht worden, niemand sei zu Schaden gekommen, die Erträge seien bei der Muttergesellschaft geblieben und dem öffentlichen Verkehr zugutegekommen, es seien weder Dividenden noch aussergewöhnliche Boni bezahlt worden. Wie hoch waren denn die Boni maximal? Für alle Mitarbeitenden konnte es gemäss Gesamtarbeitsvertrag Erfolgsboni von maximal 1200 Franken pro Jahr geben. Das Kader, insgesamt etwa 15 Personen, bekam pro Jahr maximal die Gesamtsumme von 100'000 Franken ausbezahlt. Und Dividenden? Gab es nie, weder für den konzessionierten noch für den nicht konzessionierten Betrieb. Zurück zum Kanton und den Aktien. Warum ist Ihnen der Wunsch des Kantons, seine Anteile loszuwerden, unverständlich? Hier kommt die politische Haltung ins Spiel. Ich meine: Wenn die öffentliche Hand öV-Leistungen erbringen will, sollte der Kanton ein Interesse daran haben, beteiligt zu sein und mitreden zu können. Ausserdem: Ein Verkauf der Aktien wäre praktisch ein Nullsummenspiel. Wieso das? Nehmen wir mal einen Wert des Unternehmens in der Höhe von 20 Mio. Franken an, entspräche dies 8 Mio. Franken für den Kanton. Sollte Bus Ostschweiz tatsächlich Rückforderungen von 10 Mio. Franken zu bezahlen haben, läge der Wert des Unternehmens noch bei der Hälfte, also bei 10 Mio. Franken, der Anteil des Kantons bei 4 Mio. Franken. Zusammen mit dem 3,5- bis 4-Mio.-Anteil des Kantons an den Rückzahlungen käme er auf die gleiche Summe von ungefähr 8 Mio. Franken Für mich ist das Ganze viel Lärm um nichts. Angesichts Ihrer Ausführungen nehme ich an, Sie fühlen sich vorverurteilt. Ja. Das BAV spricht ohne Voruntersuchung von Subventionsbetrug. Das geht entschieden zu weit. Ein Betrug setzt Arglist voraus. Bei uns war immer alles transparent, die zuständigen Stellen waren einbezogen und wussten stets über alles Bescheid. Wie dem «Werdenberger & Obertoggenburger» vom 25. Juni 2022 entnommen werden konnte, sieht das BAV mittlerweile auch ein, mit dem Titel der Medienmitteilung etwas zu weit gegangen zu sein. Werden Sie im Alltag öfter auf die Sache angesprochen? Ja, recht oft, zum Beispiel kürzlich an der Kilbi oder innerhalb des Männerchors, in dem ich singe. Was bekommen Sie zu hören? Eine Frage: «Weshalb liest man deine Sicht der Dinge nirgends?»