Ein Mann von Welt, aber Buchser geblieben: Paul Grab schnitt George Bush senior die Haare | W&O

28.02.2022

Ein Mann von Welt, aber Buchser geblieben: Paul Grab schnitt George Bush senior die Haare

Coiffeurmeister Paul Grab junior durchlief eine «Tellerwäscherkarriere» und wird heute 80 Jahre alt.

Von Hansruedi Rohrer
aktualisiert am 28.02.2023
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Am heutigen 28. Februar wird der gebürtige Buchser Paul Grab 80. «Ich bin nicht 80 Jahre alt, ich bin süsse 16 mit 64 Jahren Erfahrung», kontert er mit einem Augenzwinkern. Den runden Geburtstag feiert er jedoch in weiter Ferne, nämlich in der thailändischen Stadt Hua Hin. Dort wohnt er mit seiner Gemahlin seit vielen Jahren und geniesst den Ruhestand. Das heisst aber nicht, dass der Mann nur noch ruht. Er kommt zum Beispiel jedes Jahr für ein paar Monate in sein Heimatland zurück, in seinen Heimatort Buchs. Logiert wird dann in der eigenen Wohnung des Elternhauses an der Bahnhofstrasse, in jenem markanten Haus, in welchem er aufgewachsen ist und wo sein Vater einen etablierten Coiffeursalon betrieb.

Paul Grab ist stolz, ein Buchser zu sein

In diesem Logis hoch über der Bahnhofstrasse weht auf der gemütlichen Dachterrasse eine Schweizer Fahne. «Ich bin stolz, ein Schweizer zu sein, und ich bin vor allem stolz, ein Buchser zu sein», gibt der weit gereiste, aber einfach gebliebene Mann ganz ohne Pathos zu Protokoll. Sein grosses «patriotisches» Vorbild ist Jean-Jacques Rousseau und die Ode an die Schweiz. Der Staatsmann sagte dort unter anderem: «Die labende Alpenluft meines Heimatlandes, so reich und angenehm, süsser als das Parfum des Orients, dieses reiche, fruchtbare Land, das schönste je von Menschen Auge erblickte.» Die Gedanken Rousseaus betonte der Coiffeurmeister immer gerne als Bundesfeier-Redner bei Auslandschweizern. Es könnte gut eine Ode von Paul Grab an das Werdenberg sein.

Von Buchs in die weite Welt

Auf der sonnigen Dachterrasse beginnt Paul Grab zu erzählen. Den seinerzeit rundum bekannten väterlichen Salon mit bester Kundschaft hätte er eigentlich weiterführen sollen. Denn sein Vater Paul hatte nicht nur den Salon, er war auch sehr aktiv mit der Herstellung von Kosmetikprodukten beschäftigt, insgesamt 108. Das waren von Parfums bis zu Schönheitscremen sowie Lotionen und vielem mehr. «Auch der Fürst von Liechtenstein war viele Jahre bei meinem Vater Kunde», verrät der Sohn. «Da war ich natürlich schon auch stolz.» Es kam schliesslich anders. Doch der Reihe nach: Paul absolvierte die Lehre in Genf und arbeitete später auch in St. Moritz. Dort lernte er einen ausgewanderten Bündner Coiffeur kennen, der ihn ermutigte, nach Amerika zu kommen. So ein Jahr lang, um zu lernen und zu schauen, wie das Metier dort ausgeführt wurde.
Das war auch im Sinn meines Vaters, ein Schnupperjahr zu absolvieren.

Aus einem Schnupperjahr wurden 50 Jahre in den USA

Aus diesem einen Jahr wurden 50 Jahre, denn Paul Grab wanderte 1966 endgültig nach Amerika aus, nach Hawaii. Eigentlich hätte Paul Grab dort schon nach wenigen Monaten US-Militärdienst leisten sollen. Damals war die Zeit des Vietnam-Krieges.
Ich war bestürzt, doch es wendete sich zum Guten. Für mich jedenfalls, denn ich musste nicht einrücken.
Nach etwa zehn Jahren konnte er sein eigenes Geschäft führen. Der Vater habe es nicht verstanden, dass sein Sohn für immer in fernen Landen sein Glück versuchen sollte. Bis zu jenem Zeitpunkt, als er von ihm etwas später eine Einladung samt Ticket erhielt, einen Hawaii-Besuch zu unternehmen. Als er sah, dass dort Sohn Paul nicht weniger als 20 Spas (Schönheits- und Verwöhnsalons mit allem Drum und Dran) aufgebaut hatte und führte, beeindruckte das den Vater sehr.

Salons auch auf Kreuzfahrtschiffen

Vor der grossen Karriere bestand Pauls grosser Wunsch darin, einmal zwischen New York und Genua auf einem grossem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten. Paul Grab suchte alsdann ein Reisebüro in New York mit seinem Anliegen auf. Man verkaufe lediglich Tickets, hiess es. Als junger Mann in der Grossstadt hat Paul Grab aber nicht aufgegeben. Schliesslich erhielt er den Coiffeur-Salon-Job auf dem Schiff. Ehrlichkeit bei der Abrechnung und Genauigkeit bei der Arbeit hätten den Chef so beeindruckt, dass Paul Grab ohne weitere Fragen angestellt wurde. Man sei mit der ganzen Crew im Winter auch nach Südamerika gekommen.

Damals gab es noch kein Handy und keine E-Mails

Die Bekanntschaft mit einer Coiffeuse besiegelte den weiteren Lebensweg. Beide zogen nach Hawaii. Dort begann Paul Grab mit dem Aufbau seiner Salons. In den bekanntesten Fünf-Stern-Hotels richtete er seine Spas ein. Dazu kamen Salons auf sechs Kreuzfahrtschiffen. Insgesamt 125 Angestellte konnte so der bereits erfolgreiche Geschäftsmann beschäftigen. «Für mich hiess das aber auch, sieben Tage in der Woche arbeiten, ich musste ja diese Schiffe immer wieder mit Produkten für die Spas beliefern. Der komplette Schönheitsservice musste auch dort gewährleistet sein. Da war ich viel unterwegs.» Das sei nicht immer einfach gewesen. Das Büro mit zwei Sekretärinnen befand sich in seinem Haus in Hawaii. Von dort aus wurde alles erledigt. «Es gab noch lange kein Handy und kein E-Mail, hingegen ratterte immer mal wieder das Faxgerät» erinnert sich Paul Grab weiter. Und er erwähnt auch die Geschichte der Achille Lauro, jenes Unglücksschiffes, welches gesunken ist, samt seinem dort eingerichteten Schönheitssalon.

Der amerikanische Präsident als Kunde

Aber das Erfreuliche an Pauls Karriere waren natürlich die Bekanntschaften mit berühmten Persönlichkeiten, welche die Salons besuchten. Das waren nicht nur Filmstars, Politiker, Geschäftsleute, auch der amerikanische Präsident George Bush senior sowie Präsident Gerald Ford schätzten die Diskretion und Zurückhaltung ihres Buchser Coiffeurs. Der Zigarrenmann Davidoff wie auch Einsteins Schwester reihten sich ebenfalls in die persönlichen Bekanntschaften ein. Paul Grab:
Gute Arbeit und Verschwiegenheit war doch bei unserem Metier Ehrensache.
 Der Buchser Coiffeur und der amerikanische Präsident: George Bush senior (rechts) schätzte die Dienstleistung von Paul Grab.
Der Buchser Coiffeur und der amerikanische Präsident: George Bush senior (rechts) schätzte die Dienstleistung von Paul Grab.
Bild: PD
So ganz nebenbei gesagt: Der Buchser war auch noch 20 Jahre Präsident des Schweizerclubs von Hawaii und viele Jahre Vertreter des Schweizer Konsulats in Honolulu. Und die Schweizerische Botschaft in Bangkok hat ihn vor einigen Jahren als Verbindungsperson im Krisenfall in seiner Provinz ernannt. Als Botschaftsvertreter konnte er allfällige über ihr Heimatland nörgelnde Schweizer Touristen schnell beschwichtigen. Er sagte dann jeweils:
Wollt ihr denn lieber in einem anderen Land leben, das nicht so organisiert und wohlstrukturiert ist wie Schweiz?
Aber wie beurteilt denn Paul Grab seine Stärke? «Ich sehe meine Mitmenschen als gut und positiv und vertraue ihnen – aber es ist auch meine Schwäche.» Paul Grab ist wirklich stolz, ein Schweizer zu sein, ganz ohne Überheblichkeit. Er bezeugt eine grosse Dankbarkeit gegenüber allem, was ihm in diesem aussergewöhnlichen Leben widerfahren ist.
Das ist vor allem Gesundheit und Zufriedenheit. Das teile ich gerne zusammen mit meiner Ehefrau. Im Winter sind wir in Thailand und im Sommer in Buchs.
Als sichtbares Zeichen dieser Dankbarkeit weht die Schweizer Fahne von der Dachterrasse des 1927 vom Grossvater erbauten Hauses. «Das schulde ich einfach den Buchsern und der Schweiz!»