Vor weniger als einem Monat haben die St.Galler Spitäler den Abbau von über 440 Stellen bekannt gegeben. Am Kantonsspital St.Gallen (KSSG) sind rund 260 Stellen betroffen. Diese Sparmassnahme löste speziell beim Spitalpersonal Entrüstung aus.
Die Mitarbeitenden des KSSG haben mit Unterstützung der Bündnispartnerinnen und -partnern, zu denen unter anderem die Unia und der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte St.Gallen/Appenzell (VSAO) gehören, zu einer Demonstration aufgerufen.
Sie fordern keine Entlassungen auf Kosten der psychischen und physischen Gesundheit von Mitarbeitenden und Patienten und verlangen, dass die Regierung die Verantwortung für die finanziellen Defizite der Spitalverbunde trägt. Zudem fordert der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) mit einer Petition einen Notfallkredit des Kantons und einen sofortigen Stopp des Stellenabbaus.
Mit Kaffeetassen und in Arbeitskleidung
Stefan Kuhn, Verwaltungsratspräsident des KSSG, unterbreitete dem Personal im Vorfeld den Vorschlag, bei einem Kaffee gemeinsam zu überlegen, wie die Arbeit trotz fehlender Kolleginnen und Kollegen erledigt werden kann. «Nehmt eure Kaffee- oder Teetasse mit!», steht nun ironischerweise auf dem Flyer, der zu dieser Demonstration aufruft.
Zahllose Mitarbeitende des Kantonsspitals versammeln sich am Montagnachmittag im Innenhof zwischen den Häusern 03/04. Sie tragen weisse Kittel, dunkelblaue Pflegeuniformen und Operationshauben, halten Kaffeetassen in den Händen und strecken grosse Kartonschilder in die Luft. «Wer pflegt uns morgen?», «Entlassungen = Intelligent?» und «Wir retten Leben, wer rettet uns?», steht darauf.
Die Rednerinnen der Pflege starten die friedliche Demonstration, indem sie von einem improvisierten Rednerpult aus dazu auffordern, die Tassen auf die Zukunft des KSSG und auf das Personal zu erheben. «Jetzt haben wir endlich Zeit für eine Kaffeepause!», wird in die Menge gerufen.
Applaus für die gestrichenen Stellen
Neben Deborah Seitz, Hausärztin und Co-Präsidentin des VSAO, sprechen die Ärztin Irina Bergamin, stellvertretend für den Verein der Leitenden Ärztinnen und Ärzte, sowie die Pflegefachfrau und Stationsleiterin Melanie Helfenberger zur Menge, die den gesamten Innenhof flutet. Löffel, die gegen Tassen trommeln, Jubelrufe, Pfiffe und Sirenen unterstreichen die Reden bejahend. Wut und Enttäuschung sind deutlich spürbar.
Irina Bergamin fragt sich, wo das Lächeln auf den Gesichtern geblieben ist, das man einst angetroffen hat, wenn man über das Areal spazierte.
Komplette Verunsicherung, Enttäuschung und Angst haben Einzug gehalten.
Bergamin adressiert ihre Worte an den Verwaltungsrat und den Geschäftsleiter des KSSG und will wissen, woher die Spitalverbunde die Garantie herleiteten, dass die Patientensicherheit nicht gefährdet sei.
Sie fragt weiter, weshalb die Basis – die Mitarbeitenden – weder angehört noch in die Entscheidungen miteinbezogen werde. «Es braucht alle!» und «Füreinander, miteinander!» rufen die Demonstrierenden im Chor.
Melanie Helfenberger sagt, dass eine Kaffeepause nicht genüge, um Sparvorschläge zu diskutieren, und fragt sich, ob Verwaltungsratspräsident Stefan Kuhn jemals einen realistischen Einblick in den Alltag des Pflegepersonals gewonnen habe. Sie denkt zurück an die Zeiten während Corona, als für das Pflegepersonal geklatscht wurde. Schon dort hätten sie lieber mehr helfende Hände anstatt Applaus bekommen.
Und dann fordert Helfenberger die Demonstrierenden auf, während vier Minuten und 40 Sekunden für die 440 gestrichenen Stellen zu applaudieren. «Zeigt, dass wir Ausdauer haben!», ruft sie in den ohrenbetäubenden Lärm.
Eine Kündigung tut mehr weh als unsere Hände!
Am 11. November findet die nächste Demonstration gegen den geplanten Stellenabbau des Spitalverbands St.Gallen statt.