https://vimeo.com/740269570
Am Sonntag um 18 Uhr startete im Freibad Buchs der Ultra-Triathlon der «Ultra-Wahnsinnigen», wie die Deutsche Eva Leonardy ihn nennt.
Sie gehört zum Betreuungsteam von Tristan Vinzent aus Deutschland, der gerade die Weltmeisterschaft im Deca Continuous am Swissultra bestreitet. Bei den Sportlerinnen und Sportlern dreht sich momentan alles nur um eins: «Distanz abfahren, weiterkommen.»
Möglich machen das erst die im Hintergrund stehenden Helferinnen und Helfer wie Köche, Mechaniker und Supporter, die sich rund um die Uhr, also 24 Stunden, um das Wohl und Übel der Sporttreibenden kümmern.
Deca Continuous am Swissultra
Beim Deca Continuous (zehnfacher Ironman-Triathlon) wird insgesamt eine Distanz von 2260 Kilometern am Stück zurückgelegt. Während die Zeit weiterläuft, müssen Ess- und Ruhepausen selbst eingeteilt werden.
38 Kilometer der Distanz werden im Schwimmbecken absolviert, 1800 Kilometer mit dem Fahrrad und abschliessend 422 Kilometer (zehn Marathonläufe) zu Fuss. Dabei sind die Sportler am weitesten Punkt gerade mal etwas weniger als fünf Kilometer vom Freibad Buchs entfernt.
Der W&O hat das deutsche Team Vinzent getroffen, welches aus den Betreuerinnen Eva Leonardy und Nila und dem Sportler Tristan Vinzent besteht. Sie vermitteln einen tiefen Einblick in den Aufgabenbereich der Helfenden.
Energieaufnahme nur durch die Ernährung
«Präzision – das verlangt Tristan von uns», nennt Leonardy die wichtigste Komponente, damit das Unternehmen Swissultra zu einem erfolgreichen Ende geführt werden kann. Das Ziel des Teams Vinzent ist ambitiös: Nicht weniger als der Weltrekord im Deca Continuous der Altersklasse 50 bis 59 Jahre soll es sein. Dafür muss während des Wettkampfs alles wie am Schnürchen laufen. [gallery columns="4" ids="22986,22987,22988,22989,22990,22991,22992,22993,22994,22995,22996,22997,22998,22999,23000,23001,23002,23003,23004,23005,23006,23007,23008,23009,23010,23011,23012,23013" link="file"] Dicht aneinander gestellt erstrecken sich die Verpflegungszelte entlang des Rennabschnitts. Während zweier Wochen beschränkt sich das Leben der Teams auf das eigene Zelt. Hier wird geschlafen, gekocht und verpflegt. Dazu reduziert sich die Einrichtung auf das Notwendigste. Im Zelt vom Team Vinzent stehen zwei Festbankgarnituren, die das Zelt zu einer improvisierten Küche ausstatten. Auf einem Tisch steht eine Herdplatte, darunter ein kleiner Kühlschrank. Daneben eine Bank mit diversen Gläsern, die mit Weizen, Hafer und Vollkorn gefüllt sind. Eva Leonardy betont:Uns ist es wichtig, Tristans Energieaufnahme rein über die Ernährung zu steuern. Dazu verzichten wir auf Fertigprodukte und Ergänzungsmittel.Dazu müssen die Betreuerinnen täglich Lebensmittel einkaufen und diese frisch zubereiten. «Nächste Runde Frühstück!», ruft Tristan Vinzent, der gerade auf seinem Fahrrad am Zelt vorbeirast. Zum Frühstück gibt es Vollkornbrot mit viel Butter, Honig, Mandeln und Bananen. «Beim Essen ist es wichtig, die richtige Balance bei der Menge zu finden. Es dürfen nicht zu wenig Kalorien auf den Teller kommen – aber auch nicht zu viel», sagt Leonardy.
Kräfte-Einteilung musste schmerzhaft gelernt werden
Pünktlich auf Leonardys Einschätzung findet sich Vinzent im Zelt ein. Rasch ernährt er sich und findet sogar Zeit, mit dem W&O zu sprechen. Genügend Schlaf, so erzählt er, sei wichtig.Der Rheindamm ist gefährlich, es geht sofort die Böschung runter.Er redet aus Erfahrung. 2019, bei einem Ultratriathlon in Mexiko, pedalte er übermüdet weiter und schlief prompt ein. Ein schlimmer Sturz, die Verletzung ist auf dem linken Unterarm immer noch sichtbar. Dieser Zwischenfall hat Vinzent gelehrt auf seinen Körper zu hören, was er mittlerweile bestens beherrscht. Not macht erfinderisch Das WM-Rennen des Swissultra ist bereits in vollem Gang. Im Freibad werden die Schwimmlängen abgespult, die besten zwei Athleten sitzen bereits auf dem Rennrad und lernen die Strecke auf dem Rheindamm kennen. Die Zeltstadt am Wegesrand wirkt am frühen Montagmorgen verlassen – Action ist dennoch angesagt: Zwölf Stunden nach dem Start am Sonntagabend gibt es für den Fahrradmechaniker Beat Schlegel aus Buchs bereits zu tun. «Bei einem Fahrrad schliessen sich die Bremsen nicht ganz, bei einem anderen hat die Athletin das Gefühl, es würde noch nicht alles stimmen. Die Aufregung macht die Sportler unsicher», sagt der Buchser, der seit dem ersten Swissultra dabei ist, «so kommt es schnell einmal zu Reparatur- und Kontrollaufträgen.» Wie er weiter formuliert, könne auch beim Zusammenbau der Zweiräder, die zwecks Transports platzsparend verstaut waren, etwas schiefgegangen sein. So vermutlich auch beim Fahrrad der kanadischen Athletin Shanda Hill, welche den Fahrradmechaniker wenige Stunden vor dem Start des Rennens aufsuchte. Die Einsätze von Schlegel sind meist Routine. In diesem Fall aber steht er vor einer Herausforderung: «Solche Ersatzteile für Bremsen habe ich nicht auf Lager und bestellen kann ich auf die Schnelle auch keine», erklärt er. Schlegel wusste sich aber zu helfen: «Deswegen habe ich die fehlerhafte Bremse durch eine von einem alten Fahrrad von zu Hause ersetzt.» Funktionieren würde sie aber trotzdem, versichert er. Der Mechaniker weiss aus Erfahrung, dass er in den kommenden Tagen noch mehr zu tun haben wird. Das Erkennen von Zeichen ist nicht nur für den Athleten wichtig, sondern auch für die Betreuerinnen. Leonardy erklärt später, dass es nicht selbstverständlich sei, dass Vinzent sich die Zeit während einer Rennpause nimmt, um sich zu unterhalten. Oftmals braucht der Athlet seine Ruhe und ein anderes Mal möchte er Informationen über den Rennverlauf oder die Leistungen anderer Athleten. Der Besuch des Teams zeigt, was es braucht, um an einem Ultra-Triathlon bestehen zu können. Eva Leonardy zitiert dazu einen schwedischen Athleten: «It’s all about the balance.» Es ist die Balance zwischen Regeneration und Sport, die den Sportler zu Höchstleistungen bringt. Das fängt im inneren der Zelle an, reicht über die mentale Einstellung bis hin zur Ausstattung des Zelts.