In den Sommermonaten nimmt der Drang zum kühlenden Nass zu. Wer nicht ans Meer oder an einen See in Urlaub fährt, vergnügt sich im Freibad. Das bestens bekannte Schwimmbecken ist für den eigenen Nachwuchs auch die sicherere Variante – auf den ersten Blick.
Doch die heimische Bade-Idylle trügt. Wo Wasser ist, da lauert auch die Gefahr für jene, welche das Schwimmen noch nicht beherrschen.
Bademeister Thomas Kroll (Freibad Buchs) und Bademeisterin Marisa Hasler (Freibad Mühleholz Vaduz) haben alle Hände voll zu tun, kritische Situationen gar nicht erst aufkommen zu lassen.
So ärgert sich Kroll darüber, dass viele Eltern an der Badi-Kasse die Aufsichtspflicht ablegen und ihre Schützlinge unbeaufsichtigt lassen. Nach dem Motto «irgendjemand schaut dann schon zu meinem Kind», wie er festhält. Der Bademeister übernimmt quasi die Rolle des Babysitters. «Der Beckenrand wird zwar permanent überwacht», sagt Kroll weiter.
Da die Sorglosigkeit der Eltern nun mal zum Alltag einer Badeaufsicht gehört, appelliert Hasler an alle Freibad-Gäste, die Augen offen zu halten.
Sie rät: «Passiert etwas Ungewöhnliches im Kinderbecken – ein Kind unter Wasser oder auf dem Bauch mit Flügeli treibend und mit Nase sowie Mund unter Wasser – lieber einmal zu viel eingreifen und das Kind herausziehen, als einmal zu wenig.»
Ihr ist bewusst, dass viele Menschen sich nicht getrauen, ein fremdes Kind zu ergreifen. Doch die Überwindung dieser Hemmschwelle kann Leben retten.
Wie jene Episode, als sie eingriff, bevor ein Kind mit Schwimmflügeli vor den Augen der Eltern vom Sprungbrett gesprungen wäre. «Hält das Kind beim Eintauchen die Hände hoch, sind die Flügeli weg – und das Kind taucht in vier Meter tiefes Wasser ab.»
Gar nach Hause schickte Marisa Hasler unlängst eine Vierergruppe (sechs, acht, zehn und zwölf Jahre alt), die mit dem Velo von Sevelen ins Freibad Vaduz gefahren ist. Aufmerksam wurde sie auf die Gruppe am Schwimmbecken, weil das jüngste Kind Schwimmflügeli trug.
Auf der Liegewiese wurde ihr dann klar, dass weit und breit keine Aufsichtsperson da war. Die Antwort auf Haslers Frage, wer denn auf das jüngste Gruppenmitglied aufpasse, war ein Klassiker, aber dieses Mal aus Kindermund: «Er kann auf sich selber aufpassen, denn er hat ja Flügeli an.»
Doch es ist unmöglich, jedes Kind unter Kontrolle zu haben und darauf zu achten, dass nichts passiert.Das fahrlässige Verhalten von Eltern, ein Mix aus Sorglosigkeit und Gedankenlosigkeit, sorgt bei Thomas Kroll für Kopfschütteln. «So nahe am Wasser kann es um Leben und Tod gehen. Und es handelt sich um das eigene Kind, welches man nicht beaufsichtigt.»
Schwimmflügeli können sogar gefährlich sein
«Viele wägen sich in falscher Sicherheit», bemerkt Hasler und betont, dass die Eltern verantwortlich sind, dass den Kindern nichts zustösst. «Es ist so schnell passiert», sagt die Vaduzer Bademeisterin weiter. «So spielt das Kind am Beckenrand, doch ein Ausrutscher reicht, schon ist der Kopf unter Wasser.» Dass es als Sicherheitsmassnahme bereits ausreicht, Kleinkinder vom grossen Schwimmbecken fernzuhalten, widerlegt Marisa Hasler wie folgt:Da der Körperschwerpunkt bei Kleinkindern bei der Brust liegt, gerät der Kopf unter Wasser. So dringt Wasser in die Atemwege, das Kind ertrinkt.Eine Wassertiefe von wenigen Zentimetern kann für Kleinkinder bereits gefährlich sein. Eine falsche Sicherheit bei Eltern vermitteln aber auch Schwimmhilfen. «Flügeli sind richtig gefährlich», hält Hasler fest. Denn diese seien als Hilfsmittel für die gemeinsame Begehung von Elternteil und Kind ins Wasser gedacht. Schwimmflügeli sind eine Unterstützung zum Erlernen der Bewegungen an der Wasseroberfläche. Aufgrund des Körperschwerpunkts bei Kleinkindern jedoch alles andere als lebensrettend.
Mutter am Handy - mit dem Rücken zum Kinderbecken
Schildern Bademeister Thomas Kroll und Bademeisterin Marisa Hasler Erlebnisse mit Kindern und Eltern, müssen sie gar nicht erst aus langjähriger Erfahrung reden. Es genügen Geschehnisse der diesjährigen Badesaison. «Ein Paradebeispiel gehört leider zum Alltag», beginnt Kroll und erzählt: «Ich sah ein Kleinkind, das beim Schwimmbecken unbeaufsichtigt frei herum läuft. Ich sprach es an und gemeinsam gingen wir dann an den Platz, wo die Eltern lagen. Dort musste ich dann erklären, dass man ein Kind nicht allein lassen dürfe.» Hin und wieder erhält der Bademeister dafür ein Dankeschön. Häufiger ist er jedoch mit Unverständnis seitens der Eltern konfrontiert. Ein «schönes» Beispiel hält auch Hasler parat: Auch sie sah ein Kleinkind – mit Schwimmflügeli – am Rand des Kinderbeckens spielen. Nach einer Weile war klar, dass das Kind ohne Aufsicht war. Sie sprach das Kind an, gemeinsam ging es zur Mutter auf die Liegewiese. «Sie war mit dem Handy, den Rücken dem Kinderbecken zugewandt, beschäftigt», erzählt Hasler. Angesprochen auf die Vernachlässigung der elterlichen Aufsichtspflicht zuckte die Mutter nur mit den Schultern und meinte:Es wird schon nichts passieren und mein Kind hat Schwimmflügeli an.Allein die Schilderung vergangener Situationen lässt den Puls der Bademeisterin in die Höhe schnellen.
Grundvoraussetzung: Schwimmen können
Oft fängt die Sorglosigkeit bereits zu Hause an, wenn Eltern ihre Kinder allein in die Badi gehen lassen. Betreffend Mindestalter ohne erwachsene Begleitperson gibt es Unterschiede: In Buchs sind es acht, in Vaduz zehn Jahre. Doch Zahlen spielen eine untergeordnete Rolle, wie Kroll ausführt:Meine Meinung ist: Ein Kind darf erst dann ohne Aufsicht ins Freibad gelassen werden, wenn es auch schwimmen kann.Deshalb war für ihn jüngst auch folgende Situation ein No-Go: Ein Kind unter acht Jahren war mit seinem älteren Bruder ohne erwachsene Begleitung in der Badi. Der Jüngere trug Schwimmflügeli. Zwar versicherte der Ältere gegenüber Kroll, dass er auf seinen Bruder aufpasse. «Doch wenn etwas passiert, kann der Ältere dem Jüngeren nicht helfen», weiss der erfahrene Bademeister. So wies er die beiden an, dass sich der jüngere Bruder nur beim Nicht-Schwimmer-Becken aufhalten dürfe.