Europa bildet kein Gegengewicht zu Russland – sagt der Kenner | W&O

Buchs 28.02.2025

Europa bildet kein Gegengewicht zu Russland – sagt der Kenner

Der ehemalige Verteidigungsattaché in Moskau und sicherheitspolitische Analytiker, Oberst a D Bruno Russi, referierte an der 60. HV der Offiziersgesellschaft Werdenberg.

Von PD
aktualisiert am 28.02.2025
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Oberst a D Bruno Russi, sicherheitspolitischer Analytiker beim VBS (NDB), referierte am vergangenen Freitag in der «Traube» zum Thema «Neue Eskalationsform Ukraine». Er war als Gast eingeladen zur HV der Offiziersgesellschaft Werdenberg (OGW).

Nach einer aufschlussreichen Einführung in verschiedene Eskalationstheorien erläuterte er mögliche Entwicklungen im russischen Angriffskrieg. Bemerkenswert dabei sei, dass viele Staaten, darunter auch die Schweiz, weiterhin ihre Botschaften in der Russischen Föderation aufrechterhalten und die diplomatischen Beziehungen bis heute nicht komplett abgebrochen wurden.

Das Thema wird noch viele Jahre beschäftigen

In der aktuellen Situation zeichnete er die Wichtigkeit stabilisierender internationaler Abkommen auf, um auf diplomatischem Weg eine Lösung zu erzielen, denn im Krieg gebe es keine Gewinner. Bruno Russi ist jedoch vorsichtig optimistisch, dass eine Deeskalation eintreten könnte. Jedenfalls wird uns gemäss seiner Einschätzung dieser Konflikt mit all seinen Auswirkungen noch über Jahre beschäftigen.

In seiner Analyse zeigte er anhand des Kriegsverlaufes auf, wieso Russland zu Beginn sehr viele Verluste auf sich nehmen musste und nun im Stellungskrieg allmählich wieder die Oberhand gewinnen konnte. Bruno Russi kam zum Schluss, dass der Ukraine längerfristig Personalkapazitäten fehlen, umfangreiche Waffenlieferungen würden nur noch bedingten Einfluss auf den Kriegsverlauf haben können.

Im Falle eines Friedensabkommens sieht er folgende kritischen Faktoren: Ein Abkommen muss sowohl für die Ukraine als auch für Russland akzeptabel sein; das Abkommen muss gesichert werden können gegen Eskalationsversuche und Übergriffe; das Abkommen muss zwingend auch die Interessen und Möglichkeiten der Europäer berücksichtigen.

USA und China im Fokus

Die europäischen Nato-Länder bieten aus seiner Sicht in der aktuellen Bereitschaft kein realistisches Gegengewicht zu Russland, um eine Sicherung des Friedens zwischen den beiden Ländern zu gewährleisten. Insbesondere ins Gewicht fiele diesbezüglich auch eine zukünftig wahrscheinlichere Ausrichtung der USA auf das Verhältnis zwischen der Volksrepublik China und Taiwan.

Deshalb sei eine solide Verteidigungsfähigkeit in ganz Europa inklusive der Schweiz unerlässlich, um auch in Zukunft die eigene Souveränität gewährleisten zu können. Abschreckung und gute Diplomatie seien die besten Mittel, um potenziellen Gegnern keine Anreize zu bieten. 

Auf ein erfolgreiches Jahr geblickt

Die Offiziersgesellschaft Werdenberg (OGW) führte ihre 60. HV in der «Traube» durch. Neben zahlreichen Mitgliedern konnte Präsident Major Swen Büchel hochkarätige Gäste begrüssen, darunter Oberst i Gst Martin Koller, Präsident der Kantonalen Offiziersgesellschaft St. Gallen (KOG SG), Stabsadjutant Christoph Gois, Präsident des Ostschweizer Feldweibelverbandes, alt Nationalrat Walter Müller und SVP-­Kantonsrat Mirco Rossi.

Major Swen Büchel, Präsident der OGW, freute sich über die zahlreichen Gäste.
Major Swen Büchel, Präsident der OGW, freute sich über die zahlreichen Gäste.
PD

Neben weiteren Traktanden gab der Präsident einen umfassenden Rückblick auf das erfolgreiche Vereinsjahr und stellte die Pläne für das kommende Jahr vor. Besonders hervorzuheben sind der geplante Besuch der Firma Mowag und ein Jungoffiziersanlass, mit dem der Verein gezielt junge Offiziere für eine Mitgliedschaft begeistern möchte.

Das laufende Jahr steht ganz im Zeichen des 60-jährigen Bestehens der OGW, welches im Oktober auf Schloss Werdenberg mit hochrangigen Gästen, darunter Regierungsrat Christof Hartmann, feierlich begangen werden soll. Zudem wurde mit Oberst Jörg Velinsky ein langjähriges Mitglied für sein aussergewöhnliches Engagement mit der Ehrenmitgliedschaft der OGW ausgezeichnet.

Der Abend wurde mit einem Apéro beendet. Dabei wurde noch lange und eifrig über das spannende Thema diskutiert. Auch der Referent Bruno Russi erzählte im Eiskeller der «Traube» Anekdoten aus seiner Zeit als Diplomat in der Russischen Föderation.