https://vimeo.com/739582544
Als es von weit her bellt, ist nirgends etwas zu sehen. Kein Hund, kein Schaf und schon gar kein Wolf. Nur einzelne Tannen, welche im steilen Alpgelände wachsen, sind zu erkennen. Auf rund 1700 Metern Höhe liegt die Alp und über ihr, da ragen mächtige Felswände in die Höhe. Rechts diejenigen der Kreuzberge, links die des Gulmen. Direkt vor der Nasenspitze thront der Gätterifirst.
Klein und unbedeutend liegt das Werdenberg ihm zu Füssen. Irgendwo da unten geht der Alltag vonstatten. Hier auf der Alp Säss in Gams ist die Welt eine andere, das Leben gleichsam schön wie hart.
Erneut bellt es und schnell wird klar, es muss einer der Herdenschutzhunde sein. Bereits von weit her hat er die Gruppe wahrgenommen, die sich ihm nähert: Alpchef Niklaus Lenherr, Hundebesitzer Urs Heeb und Hirt Mali von Soden. Die drei nehmen einen Augenschein vor Ort.
Als sie die dichten Tannen hinter sich lassen, schimmert das weisse Fell des grossen Hundes in der Sonne. Es ist Bexter, ein dreijähriger Rüde. «Er freut sich, uns zu sehen», sagt Urs Heeb.
Für Wanderer ist das Gebiet Ende Mai bis September denn auch gesperrt. Nicht alle bringen für diese Massnahme Verständnis auf. Niklaus Lenherr sagt:
Die Hunde teilen sich ihre Arbeit perfekt auf. Sun ist diejenige, welche immer bei den Schafen bleibt, Bexter erkundet das Gelände und schreitet bei Gefahr ein. Urs Heeb sagt:
Bexter wurde mit Absicht nicht kastriert, damit er «feurig» bleibt. Als Besitzer Urs Heeb seinen Hund kurz darauf streichelt, ist von Aggressivität nichts zu spüren. Im Gegenteil, Bexter lässt sich von ihm kraulen wie ein Schosshund. Urs Heeb sagt:
Bevor Sun und Bexter in ihr neues Zuhause ziehen konnten, wurde der Hof von Urs Heeb ebenfalls behördlich geprüft – er selbst musste einen Herdenschutzhunde-Kurs absolvieren.
Von September bis Mai leben die beiden Hunde nun Tag und Nacht zusammen mit Heebs 200 Schafen auf dem Hof. Das ist nichts Aussergewöhnliches, schliesslich wurden die Hunde direkt in eine Schafherde hineingeboren.
Eine wichtige Aufgabe kommt auch den Schafen zu: Durch das von ihnen abgefressene Gras haftet der Schnee im Winter besser, was für einen natürlichen Lawinenschutz sorgt. So wie das Schaf also dem Menschen hilft, so möchte auch Alpchef Niklaus Lenherr den Schafen helfen.
Ihm ist bewusst, dass selbst Herdenschutzhunde die Schafe nicht zu 100 Prozent schützen können. Niklaus Lenherr sagt:
Der Aufwand, welcher dafür in Kauf genommen wird, ist beachtlich. Dreimal pro Alpsaison muss der Zaun auf- und abgebaut werden. Trotzdem möchte Niklaus Lenherr nicht auf diesen zusätzlichen Schutz verzichten.
Er ist darauf angewiesen, dass die Schafbauern ihm seine Tiere anvertrauen. Was solle er denn sonst mit einer Schafalp machen? Die Alp Säss, auch Gamser Schafberg genannt, ist für Rinder viel zu steil.
Misstrauen und Wiedersehensfreude
Die letzten gut hundert Meter zur Schafherde werden sie von Bexter begleitet. Etwas Misstrauen mischt sich unter die Wiedersehensfreude des Hundes – schliesslich ist da noch jemand Fremdes dabei. Seine Körpersprache verrät: Unbekannte lässt er nicht zu nah an sich ran.Wir können kein Risiko eingehen. Menschen könnten sich falsch verhalten oder gar einen Hund mit sich führen.Würde ein Hund bellend einem Schaf hinterherrennen, gefiele das den Herdenschutzhunden gar nicht. Urs Heeb fügt an:
Sie beschützen die Schafe. Ob vor Hund oder Wolf spielt keine Rolle.
Die Hirtenschutzhunde kennen nur einen Befehl
Zuoberst auf der Alp angekommen, ist nun auch Sun erkennbar, die Schwester von Bexter. Sie stellt sich schützend vor die Schafherde und weicht ihr nicht von der Seite. Auch nicht als sie den Hirten Mali von Soden sieht. Er, der den Hunden jeden Tag das Futter auf die Alp bringt, ist jetzt zweitrangig. Der Herdenschutz geht vor.Wenn es sein muss, würde er gegen einen Wolf kämpfen. Vielleicht bis zum bitteren Ende.Für den Schutz der Schafe würden die Hunde alles tun. So kennen die beiden Hunde denn auch nur einen Befehl: «Ferma», was «Zu den Schafen» bedeutet.
Sie brauchen Zuwendung und mögen Streicheleinheiten.Hier auf der Alp übernimmt Hirt Mali von Soden diese Aufgabe. Würde sich den ganzen Alpsommer kein Mensch um die Hunde kümmern, wären sie im Herbst ziemlich verwildert und müssten erneut an den Menschen gewöhnt werden.
Es braucht beides: Zäune und Herdenschutzhunde
Sun und Bexter sind die ersten Herdenschutzhunde, welche auf einer Werdenberger Alp im Einsatz stehen. Die Ortsgemeinde Gams, welche die Alp Säss besitzt und bewirtschaftet, hat weder Zeit noch Aufwand gescheut, um die Hunde zu erwerben. Eineinhalb Jahre dauerte der Prozess. Erst besichtigte ein Herdenschutzbeauftragter die Alp, dann wurde ein Zuhause für die Hunde gesucht – schliesslich benötigen sie von September bis Mai eine Bleibe im Tal. Mit dem Schafbauer Urs Heeb wurde die Ortsgemeinde fündig.Auf der Alp blühen die Hunde auf
Der Winter im Tal ist für die Herdenschutzhunde eher langweilig. Urs Heeb sagt:Wenn sie keine Aufgabe haben, entwickeln sie Flausen. Das benötigt Nerven.Hier auf der Alp hingegen blühen die Hunde auf. 1000 Schafe von knapp 20 verschiedenen Bauern aus dem Rheintal, Werdenberg, Liechtenstein und Sarganserland gilt es zu beschützen.
Zwar hält nur schon die Präsenz der Hunde einzelne Wölfe davon ab, anzugreifen.