Fructus, die Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, stellt dieses Jahr eine alte Birnensorte aus dem unteren Toggenburg ins Rampenlicht: die Toggenburger Schafenbirne. Schafenbirnen stecken noch heute in der Dörrbirnenfüllung vieler Schlorzifladen-Rezepte, wie die Vereinigung in ihrer Mitteilung festhält.
Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden grosse Anstrengungen unternommen, um die riesige Anzahl von Birnen- und Apfelsorten auf wenige «wertvolle» Sorten zu reduzieren. Die Bauernfamilien folgten diesem Bestreben, liessen sich dabei jedoch ihre Lieblingssorten nicht nehmen und pflanzen diese bis heute. Eine dieser Sorten ist die Toggenburger Schafenbirne.
Eine Birnensorte überlebt
Die Schafenbirne ist als vielseitige und regelmässig tragende Birnensorte sehr geschätzt. Sie ist eine gute, frühreife Tafelbirne und eignet sich zum Sterilisieren, Dörren oder Schnapsen. Trotzdem ist die Schafenbirne heute selten geworden. Die kleinen, kreiselförmigen Birnen reifen in der zweiten Hälfte August. Mit ihrer grüngelben Grundfarbe und der streifigen, roten Deckfarbe sind sie auffallend hübsch. Die Schale ist von auffälligen Lentizellen überzogen und der Kelch wölbt sich wie ein Stern über die Frucht.
Reife Schafenbirnen sind süss, aromatisch und saftig. Sie haben ein mittelfestes, etwas grobkörniges Fruchtfleisch und sind nur wenige Wochen haltbar. Weil sie beim Kochen nicht zerfallen und ihr Aroma behalten, sind sie beliebte Sterilisierbirnen. Was an Früchten übrig bleibt, kann gedörrt und später beispielsweise zu Dörrbirnenmus – und damit eben auch Schlorzifladen – weiterverarbeitet werden. Selten werden Schafenbirnen auch eingemaischt und gebrannt.
Der Schlorzifladen wird wiederentdeckt
Die Toggenburger Schafenbirne ist eine der vielen Birnensorten, die traditionell in den meisten Regionen des Alpenraums gedörrt wurden. Dörrbirnen sind wertvolle, lange haltbare Energie- und Vitaminspender, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Nahrungsmittel eine wichtige Rolle spielten. Gekochte Dörrbirnenschnitze standen regelmässig als Beilage auf dem Tisch. In einigen Regionen wurde der Brotteig mit Dörrbirnenmus gestreckt, um teures Weizenmehl zu sparen. Vermutlich ist das der Ursprung von Birnweggen und Birnbroten.
Die bekannteste Spezialität der Regionen unteres Toggenburg und Appenzellerland ist der Schlorzifladen. Für den flachen, cremig-süssen Kuchen wird eine Dörrbirnenfüllung, genannt Schlorzi, auf einem Mürbe- oder Kuchenteig aufgestrichen und mit einem Guss aus Rahm, Eiern und Zucker überzogen. Ursprünglich wurden Schlorzifladen nur um das Jahresende gebacken und als Weihnachts- oder Neujahrsgruss an die Nachbarschaft oder die Angestellten verschenkt. Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurden Schlorzifladen nur noch in den ländlichen Gebieten gebacken.
Als der Kanton St.Gallen an der der Expo 2002 Schlorzifladen an die Besucherscharen verteilte, wurde aus der kulinarischen Spezialität eine nationale Berühmtheit. Heute wird der Schlorzifladen von Meisterköchinnen und -köchen gebacken, hat einen eigenen Eintrag bei Wikipedia und ist unter anderem auch in der Online-Enzyklopädie Kulinarisches Erbe der Schweiz beschrieben.