Gemeinden sollen letztes Wort haben bei der Erhöhung der Leistung von 5G-Antennen | W&O

17.02.2022

Gemeinden sollen letztes Wort haben bei der Erhöhung der Leistung von 5G-Antennen

SP-Kantonsrätin Katrin Schulthess kritisiert, dass sich Gemeinden durch die vernachlässigte Baubewilligungspflicht nicht gegen die erhöhte Sendeleistung von Mobilfunkantennen wehren. Sie hat eine Einfache Anfrage eingereicht.

Von Corinne Hanselmann, Seraina Hess
aktualisiert am 28.02.2023
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5G ist aktuell nicht nur in der W&O-Region ein Thema, sondern im gesamten Kanton und in der ganzen Schweiz. Neben dem Neubau von Antennen stehen auch der Umbau alter Anlagen sowie die Erhöhung der Sendeleistung im Fokus. Denn die Mobilfunkanbieter Swisscom, Sunrise und Salt können bestehende Anlagen zu 5G-Antennen aufrüsten. Dazu braucht es zwar eine Baubewilligung – allerdings im Schnellverfahren, das keine Einsprachen zulässt. Eine weitere Neuerung in der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV), die Anfang Jahr in Kraft getreten ist, betrifft die Strahlenwerte. Neben den bestehenden Grenzwerten wurde ein Korrekturfaktor eingeführt, der den Mobilfunkunternehmen erlaubt, die Leistung der adaptiven Antennen regelmässig über den Grenzwert zu heben, solange letzterer im Schnitt eingehalten wird.

Leistung durchs Hintertürchen erhöhen

Diese Anpassungen zugunsten der Anbieter haben die Kantonsrätinnen Katrin Schulthess (SP, Grabs) und Karin Hasler (SP, Balgach) dazu bewogen, eine Einfache Anfrage mit dem Titel «Mobilfunk 5G – wo bleibt die Gemeindeautonomie?» einzureichen. «Ich finde es stossend, dass mit dieser Umsetzung das Verfahren verändert wird und sozusagen durchs Hintertürchen die Leistung der Antennen ohne Bewilligungsverfahren erhöht werden kann», sagt Katrin Schulthess, die auch Gemeinderätin in Grabs ist, gegenüber dem W&O.
Aus meiner Sicht ist es nicht rechtsstaatlich, wenn solche Entscheidungen einfach über die Köpfe der Bevölkerung hinweg getroffen werden.
 Katrin Schulthess, Kantonsrätin und Gemeinderätin in Grabs.
Katrin Schulthess, Kantonsrätin und Gemeinderätin in Grabs.
Bild: Archiv
Einsprachen aus der Bevölkerung hätten gezeigt, dass Bedenken da sind, dass bei Überschreitungen der Grenzwerte gesundheitliche Schäden zurückbleiben. Welche Auswirkungen die Mobilfunkstrahlen insbesondere auf die Gesundheit haben, interessiert Katrin Schulthess bereits einige Zeit. Die Kantonsrätin hat im September 2020 schon einmal eine Interpellation zum Thema 5G eingereicht.
Ich bin nicht technologiefeindlich. Aber ich frage mich, ob wir in unmittelbarer Nähe von Schulen und ähnlichem solche Antennen benötigen, nur damit auf der Terrasse ein Film möglichst schnell heruntergeladen werden kann.
Aufgrund der Fürsorgepflicht der Gemeinde sollten aus ihrer Sicht die Auswirkungen für das Umfeld abgeklärt werden, bevor eine Bewilligung für die Erhöhung der Sendeleistung erteilt wird. Insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Kinder in Schulen oder Kindertagesstätten sollten aus Schulthess’ Sicht geschützt werden. Beim Schnellverfahren wird aber die Möglichkeit umgangen, dass Anwohnerinnen und Anwohner Einsprachen machen könnten.
Das ist nicht demokratisch und verletzt das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Hand. Wir als Gemeinde können es uns doch nicht erlauben, so mit der Bevölkerung umzugehen.

Wie wird die Gemeindeautonomie bewahrt?

Im Wesentlichen wollen die beiden Kantonsrätinnen von der Regierung wissen, wie die Gemeindeautonomie im Bezug auf die Baubewilligungspflicht bewahrt werden kann und wie sich Einwohnerinnen und Einwohner wehren sollen, wenn die Baubewilligungspflicht bei Sendeleistungsänderungen umgangen wird. Weiter fordern die beiden SP-Frauen die Regierung dazu auf, die vernachlässigte Baubewilligungspflicht zu rechtfertigen. Welche Rolle die Vereinigung St. Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten in dieser Angelegenheit spielt, gehört ebenfalls in den Fragenkatalog, denn Schulthess und Hasler bezeichnen den Verband als weitgehend «untätig» in der Mobilfunk-Debatte.
 Die Anbieter wollen ihre Antennen möglichst bald aufrüsten.
Die Anbieter wollen ihre Antennen möglichst bald aufrüsten.
Bild: Peter Klaunzer/Keystone

Wartet eine Beschwerdenflut?

Nicht zuletzt beziehen sich die Kantonsrätinnen auf den Gesundheitsaspekt und fragen die Regierung, wie eine Gemeinde ihre Einwohnerinnen und Einwohner vor steigender Strahlung schützen könne, wenn die Mobilfunkanbieter die Meldung über die Änderungen in der Sendeleistung einzig dem Kanton melden, und dies erst nach erfolgter Leistungserhöhung. Ausserdem wollen die Politikerinnen wissen, wie der Kanton eine drohende Flut von Beschwerden, die den Mobilfunkantennen-Konflikt betreffen, mit den bestehenden Ressourcen zu bewältigen gedenkt.   Mehrere Einsprachen in Wildhaus-Alt St. Johann Gegen die Erweiterung (Kapazität und Geschwindigkeit) einer Mobilfunkantenne an der Hauptstrasse 17 in Wildhaus sind aktuell im Rahmen einer verlängerten Einsprachefrist zahlreiche Einsprachen gegen das Baugesuch der Swisscom (Schweiz) AG eingegangen. Die Einsprachen erachten es als unzulässig, dass mit der bestehenden Rechtsgrundlage adaptive Antennen bewilligt werden können. Zudem werden die Methoden zur Berechnung der Strahlenwerte in Frage gestellt, heisst es auf Anfrage bei der Bauverwaltung der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann. (ab)