«Die Jungen fühlen sich am Bewerbungsgespräch als Kunde»,
Ausgabe vom 17. April
«Junge gefährden den Schweizer Wohlstand», lese ich auf der Titelseite des W&O vom
17. April. Es folgt auf Seite 3 ein ganzseitiges Interview mit dem «Generationenforscher» Rüdiger Maas. Dieser nennt die Generation Z – die heutigen 15- bis 30-Jährigen – «arbeitsunfähig».
Maas beklagt sich darüber, dass die Arbeit für diese Altersgruppe nicht mehr der «Mittelpunkt des Lebens» sei, dass sie bei Vorstellungsgesprächen «kein bisschen nervös» seien, dass sie ein «angenehmes Arbeitsumfeld» einem «starken Leistungsdruck» vorziehen, dass ihre Eltern nicht mehr «Erziehungspersonen» seien, sondern die «besten Freunde ihrer Kinder», dass Eltern und Kinder heute «die selben Werte teilen» und dass die Unternehmen heute viel zu grosszügig seien, den stellensuchenden Jugendlichen, um sie anzuwerben, «viel zu viele Geschenke machen» und ihnen sogar «Viertagewochen, Obstkörbe, Tablets und Bildschirme fürs Homeoffice» zur Verfügung stellen. Maas beklagt sich auch darüber, dass heute zunehmend verhindert werde, den Kindern auch das «Verlieren» beizubringen.
Offensichtlich trauert Maas den «guten» alten Zeiten nach, in denen sich Jugendliche gefälligst den drakonischen Erziehungsmassnahmen, Strafen, der Bevormundung und der Rechthaberei und Besserwisserei seitens der Erwachsenen zu unterwerfen hatten und man ihnen bei jeder Gelegenheit zu verstehen gab, dass sie, bei Unstimmigkeiten zwischen ihnen und ihren Vorgesetzten, gefälligst den Mund zu halten hätten. Dabei müsste ein «Generationenforscher» doch eigentlich wissen, dass sich jede neue Generation von allen vorangegangenen unterscheidet. Nur so ist eine gesellschaftliche Weiterentwicklung möglich, nur so kann die Welt immer wieder neu und anders gesehen und gedacht werden.
Wenn die Jungen heute nicht mehr ihr ganzes Leben in den Dienst der Arbeit stellen, sondern vermehrt ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Lebensgenuss anstreben, so ist das etwas vom Besten, was sie tun können. Denn wer ausgeruht, entspannt, mit Freude und im inneren Gleichgewicht mit sich selbst arbeitet, leistet insgesamt mehr, als wenn er wie eine Zitrone bis zum Letzten ausgepresst wird und mit der Zeit nur noch lustlos und widerwillig zur Arbeit geht. Entgegen der Schlagzeile, wonach die Jugend den Wohlstand gefährde, ist es genau umgekehrt: Mit ihrer Lebensfreude, ihrem Humor und ihrer Gelassenheit sichern diese jungen Menschen für uns alle und für unsere Zukunft eine neue, bessere Form von Wohlstand, die weit über blosse Pünktlichkeit, vorschriftsgemässes Einhalten von Regeln und Vorschriften und Verausgabung bis zur Erschöpfung hinausgeht.
Peter Sutter,
Wiedenstrasse 32, 9470 Buchs