Gerast, getobt, demoliert und Beamten bedroht: Autofahrer flippt komplett aus | W&O

15.06.2022

Gerast, getobt, demoliert und Beamten bedroht: Autofahrer flippt komplett aus

Bei einer Verkehrskontrolle hat ein Wagenlenker ein selten erlebtes Spektakel aufgeführt. Der Schuldspruch: unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten - wenn er in die Schweiz einreisen würde.

Von Reinhold Meier
aktualisiert am 28.02.2023
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Der Mittfünfziger aus dem deutschen Ostwestfalen war der Polizei aufgefallen, als er nahe einem hiesigen Bahnhof seinem Wagen die Sporen gab und mit quietschenden Reifen beschleunigte. Die Beamten fuhren hinterher, um ihn zu überprüfen. Doch er raste weiter, mit 120 Stundenkilometern über die Kantonsstrasse in Richtung Sargans. Weder Tempolimit noch Blaulicht zeigten Wirkung, bis er abrupt anhielt, auf der linken Fahrbahn, bei einer Bushaltestelle und wegrennen wollte.

Patrouille beschimpft und provoziert

Die Einvernahme vor Ort verlief noch dynamischer. Der Mann provozierte und beschimpfte die Patrouille so heftig, dass er schliesslich in Handschellen gelegt werden musste. Die Pneus seines Wagens wiesen derweil sträflich wenig Profil auf und einen Führerausweis gabs auch nicht. Den hatte der Mann schon drei Jahren zuvor dauerhaft abgeben müssen.

Einmal Pinkeln für 35.55 Franken

Auf der Polizeistation weigerte sich der Jahresaufenthalter, das Polizeiauto zu verlassen. Später sträubte er sich dagegen, die Treppen zum Büro hochsteigen, dann tobte er wegen angeblicher «Folter» und «Freiheitsberaubung» herum. Obschon die Staatsanwaltschaft sofort eine Blut- und Urinprobe anordnete und man ihm anbot, diese allenfalls im Spital abzugeben, weigerte er sich mit Händen und Füssen und urinierte auf Stuhl und Boden. Eine aufgebotene Reinigungsfirma verrechnete 35.55 Franken für die Entfernung des stinkenden Malheurs.

Beamter und dessen Frau eingeschüchtert

Im Spital schrie der – im Übrigen laut Gutachter Gesunde – abwechselnd laut herum oder stellte sich bewusstlos. Zurück auf dem Posten drohte er einem Beamten ein Nachspiel an. Kurz nach der Entlassung begab er sich denn auch zweimal zu dessen Wohnhaus, um die Frau einzuschüchtern. Er kündigte «Konsequenzen» und weitere «Besuche» an. Darauf wurde er erneut inhaftiert. Dabei demolierte er nicht nur die Zellentür für 1000 Franken, sondern löste binnen drei Stunden 44-mal den Hilferuf bei der kantonalen Notrufzentrale aus. Zudem verstopfte er sein WC, so dass sich Wasser und Notdurft auf dem Fussboden verteilten. In die gammlige Sauce warf er schliesslich seine Matratze plus Wolldecken und generierte so einen neuen Auftrag für die Reinigung.

Nur auf den Bus gewartet?

Bald stellt sich heraus, dass er Migrations- und Steueramt über Wohnort, Beruf sowie sein Einkommen getäuscht und so illegal knapp 200'000 Franken von Kranken- und Arbeitslosenkasse bezogen hatte. Die Anklage forderte denn auch 30 Monate Haft wegen der Verkehrsdelikte, Hinderungen von Amtshandlungen, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Nötigung und Täuschung der Behörden. Zudem eine Geldstrafe über 12'000 Franken und eine Busse von 2'000 Franken. Der Audi sei einzuziehen und zu verwerten. Die Verteidigung plädierte hingegen auf umfängliche Freisprüche und Haftentschädigung in Höhe von rund 35'000 Franken. Sie machte dafür einigermassen erschöpfend geltend, ihr Mandant habe sein Auto gar nicht gefahren, sondern bloss neben der besagten Haltestelle parkiert, um den Bus zu nehmen. Der Beschuldigte selbst war wiederholt nicht zum Prozess erschienen, so dass schliesslich in Abwesenheit verhandelt wurde. Er befindet sich mutmasslich im Ausland.

Wiedereinreise ist unwahrscheinlich

Das Gericht entschied im Wesentlichen im Sinne der Anklage, weil der Sachverhalt erstellt sei. So verhängte es nebst dem Schuldspruch eine unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Zudem werden eine Geldstrafe von 17'000 Franken und Verfahrenskosten in Höhe von 50'000 Franken fällig. Der Audi wird verwertet. Vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Beamte wurde der Mann freigesprochen, was zu einer Milderung der Haftdauer führte. Ebenso wenig tritt der beantragte Landesverweis in Kraft, weil er in dem Fall kein Katalogdelikt ist. Eine Wiedereinreise des Verurteilten dürfte jedoch unwahrscheinlich sein, warten beim Versuch eines Grenzübertritts doch die unmittelbare Verhaftung, Knast und hohe Kosten auf den Ex-Lenker.