Mitorganisatorin Esther Amman freute sich in ihrer Begrüssung, dass der Frauenabend der Evangelischen Kirchgemeinde Grabs-Gams «nach zwei Jahren Zwangspause» wieder stattfinden konnte. Kurz stellte sie die Referentin Tamara Boppart aus Wil ZH als Mutter, Rednerin und Autorin vor, deren Mann Andreas in Grabs aufwuchs. Tamara Boppart schilderte einleitend den rund 60 Frauen eine Szene aus dem 1865 geschriebenen Buch «Alice im Wunderland».
Alice rennt mit der roten Königin durchs Wunderland – und sie kommen doch nicht vom Fleck. «Hier musst du so schnell rennen, wie du kannst, damit du am gleichen Ort bleibst», erklärt die Königin.
Unsere Gesellschaft ist vom Tempo getrieben
Diese Aussage sei auch 2023 aktuell. «Es ist charakteristisch für unsere Zeit, dass wir vom Tempo getrieben sind.» Vor lauter Dringlichkeit hätten wir den Blick auf Wichtigkeit verloren. Tamara Boppart beschreibt:Was ich will, ertrinkt in dem was ansteht.Das chinesische Zeichen für «beschäftigt» bestehe aus zwei Zeichen: Herz und Tod. «Es zeigt: Ständig beschäftigt sein hat einen Preis.» Sie schilderte Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben. «Acht Jahre ist es her, als der Körper bei mir mitreden wollte.» Kleine Symptome hätten sie aufmerksam gemacht, dass sie vielleicht hinhören sollte. «Es war für mich ein Schlüsselerlebnis.» Der Hintergrund: Innert fünf Jahren hatte sie vier Kinder geboren, deren Betreuung sie beinahe überforderte. Sie entschied sich, um es mit ihrem schwedischen Lieblingsautor Thomas Sjödin auszudrücken, den sie in ihrem Referat immer wieder zitierte:
Ich möchte Dinge aus der Ruhe heraus beginnen, statt mit einem Seufzer der Erschöpfung zu enden.Sie versuchte es mit geistigen Übungen, konnte aber dabei die Gedanken nicht abstellen. «Es ist wie aufgewühlter Sand im Wasserglas: Es braucht Zeit, bis sich der Sand senkt.»
Die Seelenwurzeln brauchen Ruhe, um in die Tiefe zu wachsen
Zur Ruhe zu kommen als wichtiges Ziel hätten viele entdeckt, sogar Firmen böten Meditationen für ihre Mitarbeiter an. Gerade in der christlichen Tradition fände man aber reiche Schätze, wie man zur Ruhe kommen könne. Doch meistens treibe uns Not, zum Beispiel ein Burnout, in eine Veränderung – oder eine Sehnsucht. So nannte sie als positiven Anstoss «drei Chancen der Ruhe». Erstens: eine neue Perspektive einnehmen, in dem ich einen neuen Bezugsrahmen setze. Wenn mich beispielsweise eine Person ständig stresst, versuche ich, an der Person zu wachsen. Zweitens: Vom alles haben wollen, was man liebt, zum alles lieben, was wir haben. Drittens: Die Seele hat ein eigenes Wurzelwerk, es braucht Ruhe, um die Wurzel in die Tiefe wachsen zu lassen und so Stabilität zu erlangen.Ihr eigener Weg führt sie ins Kloster
Tamara Boppart fand den eigenen Weg, indem sie in ein Kloster ging. Hier musste sie nicht nur drei Tage schweigen, sondern auch sechs Mal im Tag 20 Minuten auf einem Stuhl sitzen, möglichst ohne Gedanken zu wälzen. Letzteres habe sich als «anstrengend» herausgestellt. Geholfen hat der Rat einer Klosterfrau:Der Geist von Gott lebt in dir, wenn du dir Zeit nimmst, triffst du ihn.In Psalm 73 schildert Asaf, wie er vom Unglücklichen zum Glücklichen wurde, weil er «in Gottes Heiligtum» ging – und dann begriff. «Für jeden von uns heisst dies etwas anderes. Mach dir Gedanken, was es für dich ist», schloss sie ihr erfrischendes Referat. Musikalisch umrahmt wurde der Abend vom Panflöten-Trio Anette Ottiger, Martina Gamper und Angelika Zemp mit zum Referat-Thema passenden, ruhigen Klängen.