Die Schweiz ist stolz darauf, kein eigentliches Staatsoberhaupt zu haben. Ganz ohne geht es aber trotzdem nicht. Jemand muss die Bundesratssitzungen leiten und die Regierung gegen aussen vertreten, zum Beispiel an Gipfeltreffen im Ausland. Und auch wenn die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident offiziell als «Erste(r) unter Gleichgestellten» definiert wird, so ist dennoch klar: Ein höheres Amt gibt es in der Schweizer Politik nicht, jedenfalls nicht in der Exekutive.
So gesehen ist Karin Keller-Sutter (FDP) jetzt an der Spitze angekommen, nach sechs Jahren im Bundesrat. Das Parlament hat die St.Gallerin am Mittwochmittag mit 168 Stimmen zur Bundespräsidentin für das kommende Jahr gewählt. Insgesamt gingen 203 gültige Stimmen ein. Das ist zwar kein Glanzresultat, jedoch hat Keller-Sutter die Wahlergebnisse ihrer Vorgänger der letzten drei Jahre - Ignazio Cassis, Alain Berset und Viola Amherd - übertroffen.
Die 60-Jährige gilt als derzeit einflussreichste Bundesrätin. Auch im Ausland hat sie Eindruck hinterlassen, beispielsweise aufgrund ihrer Rolle als Finanzministerin bei der Credit-Suisse-Rettung: Die «Financial Times» bezeichnete Keller-Sutter als eine der 25 einflussreichsten Frauen der Welt.
Krönung einer langen Politkarriere
Nach ihrer Wahl in den Bundesrat im Jahr 2018 war Keller-Sutter zunächst Justizministerin, 2023 übernahm sie das Finanzdepartement. Sie ist die siebte Frau in der Geschichte der Schweiz, die zur Bundespräsidentin gewählt wird. Der letzte St.Galler, der das Amt bekleidete, war Kurt Furgler (CVP) im Jahr 1985.
Keller-Sutter blickt auf eine lange Politkarriere zurück, sie war Gemeinderätin, Kantonsrätin, Regierungsrätin und Ständerätin. Als studierte Konferenzdolmetscherin kommuniziert sie mühelos über Sprachgrenzen hinweg. Keller-Sutter ist verheiratet und lebt in Wil.
Parmelin wird Vizepräsident
Im Anschluss an die Wahl von Keller-Sutter zur neuen Bundespräsidentin schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrats für das nächste Jahr. Turnusgemäss übernimmt SVP-Bundesrat Guy Parmelin, der Vorsteher des Wirtschafts-, Bildungs- und Forschungsdepartement (WBF) das Vizepräsidium. Er wurde mit 196 von 219 gültigen Stimmen gewählt. Vorausgesetzt, er tritt vorher nicht zurück, dürfte Parmelin somit für das Jahr 2026 zum zweiten Mal nach 2021 zum Bundespräsidenten gewählt werden.