«Halunke der Nation» ist strafbar: Angeklagter beleidigt Bauunternehmer | W&O

06.10.2022

«Halunke der Nation» ist strafbar: Angeklagter beleidigt Bauunternehmer

Das Kreisgericht in Mels verurteilt einen 74-jährigen wegen übler Nachrede. Der Angeklagte ist an Schranken kein Unbekannter.

Von Reinhold Meier
aktualisiert am 28.02.2023
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Im vergangenen Jahr hatte sich der pensionierte Fuhrmann gleich zweimal ein Stelldichein bei der hiesigen Gerichtsbarkeit geliefert. Einmal gings um Tierquälerei. Er habe sein Ross derart vernachlässigt, dass es von Amts wegen eingeschläfert werden musste, hiess es. Es folgte ein Schuldspruch, der jedoch noch hängig ist. Der zweite Fall verschaffte dem Senior dann gar landesweite Aufmerksamkeit, hatte er doch einen Fasnachtswagen zur Kantonsratswahl mit Bildern von Kandidierenden beklebt, darunter auch einem mit dunkler Hautfarbe. Dies war verbunden mit der Frage, wie viele «Neger» es in St. Gallen wohl noch brauche. Das Gericht wertete das als Rassismus im Allgemeinen, weil der Spruch Menschen dunkler Hautfarbe generell herabwürdige, aber auch im Speziellen, weil das Bild eines Lokalpolitikers südlicher Herkunft just neben dem «N-Wort» stand. Das Urteil hat Rechtskraft erlangt, weil der Mann seinen Rekurs derweil zurückgezogen hat. Und dann gabs von früher noch eine Vorstrafe wegen Nötigung.

Ist «Herrgott» ein Schimpfwort?

Dem aktuellen Fall waren nun – je nach Sichtweise – Bauarbeiten bei, auf oder an einem Grundstück des Beschuldigten der Auslöser für den erneuten Rechtsstreit. Dabei soll, weil nebenan gebaut wurde, grenzüberschreitend auch bei ihm Schotter abgetragen, Humus aufgefüllt, der Zugang zum Garten versperrt und eine notwendige Wendeplatte blockiert worden sein. Den Ärger deponierte der Angeklagte im Mai dieses Jahres in drei Mails mit zunehmender Schärfe im Ton. Zunächst verlangte er eine Lagergebühr für den fälschlich gelagerten Humus. Im zweiten Mail warf er dem Bauunternehmer vor, er halte sich wohl für den «Herrgott auf Erden» dagegen werde er vorgehen. Im dritten Mail titulierte er ihn als schliesslich als «Halunke der Nation», der «Missetaten» begehe. Pikant dabei: In den Mailverteiler aufgenommen hatte er jeweils auch den zuständigen Grundbuchhalter und später noch dessen Chef, den Gemeindepräsidenten. Die Anklage sah damit den Vorwurf der üblen Nachrede bestätigt, die geeignet sei, den guten Ruf des Unternehmers zu schädigen.

Bedauern und Einsicht

Der Angeklagte zeigte sich an Schranken gegenüber den zuletzt eher polternden Auftritten spürbar ruhiger, wirkte müde. «Ich zittere». Ja, seine Mails seien überspitzt, er würde es heute anders sagen. «Weniger aus dem Affekt». Aber er sei halt kein Schriftgelehrter, sondern Fuhrmann. Und:
Mir kam es nur auf die Beseitigung des unrechtmässigen Zustandes an, ich wollte nicht beleidigen.
Der Bauunternehmer liess sich anwaltlich vertreten und forderte eine Genugtuung von 500 Franken. Durch das Weiterleiten der Mails und die Bezeichnung als ehrlosem Gauner, sei der gute Name seines Mandanten geschädigt worden. «Er wollte ihn bei der Gemeinde in Verruf bringen», erklärte er und forderte Schuldsprüche in allen drei Fällen.

«Erst mal abregen»

Der Beschuldigte selbst verlangte Freisprüche im Blick auf die ersten beiden Mails. Sie enthielten keine ehrverletzenden Behauptungen. Beim dritten Mail sei er hingegen über das Ziel hinausgeschossen. Darum sei er hier zu bestrafen, räumte er ein. Es täte ihm heute leid und er sei bereit, die geforderte Genugtuung freiwillig zu zahlen. Das Gericht sprach ihn wegen einfacher übler Nachrede schuldig, eben im Blick auf die dritte Mail mit dem «Halunke der Nation». Der Sachverhalt sei erstellt und eingestanden. Die ersten beiden Mails hingegen seien schlechter Ton, gingen aber über den im Baugewerbe üblichen, etwas raueren Sprachgebrauch nicht wesentlich hinaus. Die Genugtuungsforderung wurde abgewiesen. Das Strafmass beläuft sich auf zehn Tagessätze à 200 Franken, dies im Zusatz zu dem rechtkräftigen Urteil vom Vorjahr. Und einen Ratschlag gabs auch noch:
Künftig erst mal abregen und drüber schlafen.