Wenn morgens um 10 Uhr die Pausenglocke des Oberstufenzentrums Grof ertönt, blickt Hansjakob Schwendener hin und wieder hinüber. Eine gewisse Neugier überkommt ihn, schliesslich hat er hier 41 Jahre lang als Oberstufenlehrer gearbeitet.
Sein letzter Arbeitstag ist bereits einige Wochen her und dennoch bleibt er mit dem OZ Grof verbunden: Sein Grundstück grenzt nämlich direkt an das der Schule.
Wochentage und Zeit spielen keine grosse Rolle mehr
Hansjakob Schwendener ist in der Pension angekommen, wie er sagt. Das merkt er am Umstand, dass die Wochentage und die Zeit keine grosse Rolle mehr spielen. Hansjakob Schwendener sagt:Früher richtete sich mein Leben nach dem Stundenplan. Meine innerliche Uhr lief im Rhythmus der Lektionen. Heute vergesse ich sogar manchmal, was für ein Wochentag ist.
Freude und Motivation noch vorhanden
Um den Übergang zur Pension etwas sanfter zu gestalten, reduzierte der 64-Jährige sein Pensum von 100 auf 80 und danach auf 60 Prozent. Er sagt:Ich habe gegen Ende gemerkt, dass mir die notwendige Energie langsam ausgeht, um diesen wunderbaren, aber sehr anstrengenden Beruf weiter ausüben zu können.Die Freude und Motivation sei noch vorhanden gewesen, aber die Kraft zum Disziplinieren und Sanktionieren sei zur Neige gegangen.
Über 40 Jahre lang Jugendliche unterrichtet
1500 Jugendliche hat Hansjakob Schwendener als Lehrer durch die Oberstufenzeit begleitet. Während Eltern oft froh sind, wenn ihre Kinder aus der Teenagerzeit entwachsen, wiederholte sich für Schwendener das Unterrichten und Erziehen von Jugendlichen über 40 Jahre lang aufs Neue. Er relativiert:Ich konnte die Jugendlichen abends abgeben, das können Eltern nicht.
Langjährige Erziehungsarbeit hinterliess Spuren
Die langjährige Erziehungsarbeit hat Spuren bei ihm hinterlassen. Er sagt:Bei meinen eigenen Kindern war ich wahrscheinlich etwas erziehungsmüde. Meine Frau hat oft den grössten Teil der Erziehung unserer Kinder übernehmen müssen.
In Metallbauschlosser-Familie hineingeboren
Ursprünglich wollte Hansjakob Schwendener gar nicht Lehrer werden. Er ging nicht gerne zur Schule und wurde mit drei Jahren bereits in ein Metallbauschlosser-Gwändli gesteckt. Er sagt:Mein Vater, Grossvater und Urgrossvater waren alle Schlosser. Wir hatten eine eigene Firma, die ich hätte übernehmen können. Mein Vater hat mir aber freie Wahl gelassen. Dafür bin ich ihm dankbar.
Wohnortspflicht am Arbeitsort
Gerne wäre er Kartograf geworden. Dann hätte er nach Bern ziehen müssen – dafür war er nicht bereit. Der Wunsch, Lehrer zu werden, entwickelte sich bei ihm erst spät. Und weil Lehrer früher an dem Ort wohnen mussten, wo sie arbeiteten, spielte sich sein Alltag fortan grösstenteils zwischen Eigenheim, OZ Grof und Buchser Zentrum ab. Das störte ihn aber nie.Er spricht finnisch mit der Familie seiner Frau
Als Ausgleich reist er gerne nach Finnland, in die ursprüngliche Heimat seiner Frau. Auf den Umstand, dass er auch finnisch sprechen kann, ist er sehr stolz. Hansjakob Schwendener sagt:Ich erachte das als Wertschätzung ihrer Familie gegenüber.
Mit der Karte auf dem Velo
Als weiteren Ausgleich zu seinem kleinräumigen Leben in Buchs sucht er oft neue Wege auf seinen Velorouten. Dafür benutzt er gerne eine Karte in Papierform. Hansjakob Schwendener sagt:Hier zeigt sich meine Liebe zur Kartografie noch immer.Dass er sein Leben heute spontan nach seinen Bedürfnissen richten kann und keine berufliche Leistung mehr erbringen muss, empfindet er als sehr befreiend.
Zeit für Fragen oder Probleme genommen
Die Schulleitung des OZ Grof beschreibt Hansjakob Schwendener als sehr feinfühligen und sozialen Menschen, dem das Wohlergehen seiner Mitmenschen sehr wichtig war. Für Fragen oder Probleme habe er sich immer Zeit genommen und kein Aufwand sei ihm zu gross gewesen. Er sagt dazu:Ich habe mich darum bemüht, dass es den Schülerinnen und Schülern gut ging.
Unendlich geduldig, zuhören können und Menschen mögen
«Wenn es den Jugendlichen nicht gut geht, können sie nicht gut lernen», begründet er. Die Eigenschaften, die eine Lehrperson benötige, seien: unendlich geduldig sein, zuhören können und grundsätzlich Menschen mögen. Die Geduld benötigte er, um den Lernstoff mehrmals auf verschiedene Arten erklären zu können. Die Eigenschaft «Menschen mögen» bedeutet für ihn, dass man ein generelles Interesse am Wohlergehen des anderen haben muss.Abschiedsfest in der letzten Schulwoche
Dass sich Schwendener mit diesen positiven Eigenschaften während seiner langen Laufbahn sehr beliebt gemacht hat, zeigte sich nicht zuletzt auch am Abschiedsfest. Er kommentiert:Das Abschiedsfest war gigantisch. Der helle Wahnsinn.
Videofilm mit Grussbotschaften
Mit einer Rikscha wurde er von einem Lehrerkollegen durch die Strassen von Buchs gefahren. Die Schülerinnen und Schüler des OZ Grof stellten ihm bei verschiedenen Posten Aufgaben. Sogar die Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler des benachbarten OZ Flös standen vor ihrem Schulhaus Spalier. Nach der Postenfahrt gab es in der Aula des OZ Grof einen Videofilm, in dem viele Wegbegleiter dem Pensionisten alles Gute wünschten. Hansjakob Schwendener sagt:Ich dachte mir, dass ich alle, die im Film gezeigt wurden, besuchen möchte, um mich für die guten Wünsche zu revanchieren.
170 Personen am Abschiedsfest
Doch so weit kam es nicht. Beim anschliessenden Apéro waren nämlich alle persönlich anwesend. 170 Personen, darunter die Familie von Hansjakob Schwendener inklusive Grosskind, sowie ehemalige Hauswarte, ehemalige Lehrpersonen – einer kam sogar aus Neuchâtel – sowie ehemalige Schülerinnen und Schüler. Einige davon mussten sich extra frei nehmen. Hansjakob Schwendener sagt:Mich hat fast der Schlag getroffen vor Freude. So in die Pension gehen zu dürfen ist unheimlich schön. Davon werde ich noch lange zehren.