«Im höchsten Grad unseriös»: CH-Wolf reagiert auf SVP-Vorstoss zur Sichtung | W&O

Nesslau 26.03.2025

«Im höchsten Grad unseriös»: CH-Wolf reagiert auf SVP-Vorstoss zur Sichtung

Anfang März tauchten drei Wölfe in Nesslau auf. Drei Toggenburger SVP-Kantonsräte fordern den Abschuss, der St.Galler Regierungsrat lehnt ab. Nun äussert sich die Präsidentin eines Wolfschutzvereins.

Von Anaïs Expilly
aktualisiert am 26.03.2025
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Am Freitagmorgen vom 7. März sichtete eine Familie bei ihrem Haus in der Laad in Nesslau drei Wölfe. Die drei Obertoggenburger SVP-Kantonsräte Fredy Louis, Ivan Louis und Lukas Huber fordern, dass die Tiere zum Abschuss freigegeben werden. Der Kantonsrat stufte den Vorstoss mit einer Mehrheit als dringlich ein. Die Wölfe würden besonders für Kinder eine Gefahr darstellen. Dass sich die Tiere um 7 Uhr morgens ohne Scheu in die Nähe eines belebten Wohngebiets getraut haben, sei alles andere als natürlich, so Fredy Louis. Der St.Galler Regierungsrat lehnt den Vorstoss jedoch ab. Es gebe keine rechtliche Grundlage, heisst es.

Gefahrensituation sei lediglich suggeriert

Nun äussert sich Christina Steiner, Präsidentin des Vereins CH-Wolf, in einer schriftlichen Stellungnahme zum Vorstoss. «Eine Wolfsfamilie beansprucht ein Territorium von zirka 200 bis 250 Quadratkilometern», schreibt sie. «Dies entspricht etwa der Grösse des Kantons Zug.» So käme es dazu, dass ihr Territorium auch von Menschen geschaffene und teilweise bewohnte Gebiete einschliesse. «Da kann es auch mal zu der einen oder anderen Wolfsbegegnung oder Sichtung kommen», fügt Steiner an. Das heisse aber nicht, dass die Tiere ihre Scheu vor Menschen verloren hätten.

Zur Forderung der SVP, die drei Wölfe abzuschiessen, schreibt Steiner:

Das ist im höchsten Grad unseriös und anmassend.

Es habe keine direkte Begegnung zwischen Wolf und Mensch gegeben, so Steiner. «Laut diversen Berichten ‹waren die Kinder zum Glück noch im Haus› und ‹nur wenige Minuten später hätten Kinder an der Bushaltestelle sein können›, als die drei Wölfe nahe am Wohngebiet vorbeiliefen», schreibt sie. Mit diesen Aussagen würde eine Gefahrensituation suggeriert, die nicht vorhanden gewesen sei.

Steiner argumentiert, dass wir Menschen unseren Lebensraum mit anderen Lebewesen, wie unseren heimischen Wildtieren, teilen. «Wir können doch nicht einfach alles, was uns unbequem und unangenehm ist oder uns ökonomisch nicht in den Kram passt, niederschiessen und vernichten», schreibt sie weiter.

Mehr Tote durch Wölfe oder durch Mutterkühe?

Zum Vergleich zieht die Präsidentin von CH-Wolf das Durchqueren einer Mutterkuhherde heran. Solch ein Risiko sei um ein Vielfaches grösser als die Gefahr, welche von Wölfen ausgeht. Jährlich gebe es Schwerverletzte oder gar Tote durch Mutterkühe, schreibt sie. «Aber kein SVP-Politiker hat je den präventiven Abschuss von Mutterkühen oder ganzer Kuhherden gefordert», fügt sie an. Steiner schreibt, dass es bei Unfällen mit Nutztieren lediglich eine kurze Meldung in den Medien gebe, während bei Wolfsichtungen direkt der Abschuss gefordert würde.

Laut einer internationalen Studie zu Wolfsattacken seien zwischen 2002 und 2020 weltweit 26 Menschen durch Wölfe getötet worden, heisst es in einem Beitrag des SRF vom Januar. Von diesen Todesfällen habe aber keiner in Europa stattgefunden. In einem Artikel dieser Zeitung aus dem Jahr 2011 steht, dass 2010 auf St.Galler Weiden zwei Personen durch Mutterkühe umgekommen seien. In Graubünden kam 2015 eine weitere Person durch Mutterkühe um, heisst es im Blick von damals.