Die Kräuterakademie nahm am vergangenen Wochenende Neulinge und Fachleute mit auf eine Zeitreise. Unter dem Motto «Kräuterwissen im Kontinuum der Zeit» veranstaltete sie in Salez die fünfte Ausgabe des Herbposiums, einer Tagung zur Pflanzenheilkunde. Bertrand Hug, Gemeindepräsident von Sennwald, eröffnete den Anlass im Landwirtschaftlichen Zentrum mit Grussworten.
Heilpflanzen noch heute bedeutsam
Yvonne Gilli, Präsidentin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), hatte das Tagungspatronat inne. Mit dem Vortrag «Kräutermedizin in der heutigen Medizinlandschaft» skizzierte sie die Entwicklung der Phytotherapie. Sie zeigte, wie Heilpflanzen seit Jahrtausenden medizinisch genutzt werden und heute zur Komplementärmedizin zählen. Die obligatorische Krankenversicherung übernimmt hierzulande sogar die Kosten für Phytotherapie.
Rainer Stange, Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren, vertiefte das Thema. In seinem Vortrag beleuchtete der Arzt die Entwicklung vom traditionellen Kräuterwissen hin zu modernen pflanzlichen Arzneimitteln. Er betonte die Bedeutung wissenschaftlicher Methoden für die Qualität und Sicherheit von Heilpflanzenprodukten. Zudem thematisierte Stange globale ökologische Herausforderungen, etwa den nachhaltigen Anbau von Heilpflanzen.
Ohren zu beim Kräutersammeln
Der deutsche Sachbuchautor und Dozent, Rudi Beiser, thematisierte uralte Ernte- und Sammelrituale. Da unsere Vorfahren noch nichts über die Wirkstoffe in den Pflanzen wussten, erklärten sie sich deren Heilkraft mit dem Einfluss des Göttli-chen. Diese Glaubensvorstellungen führten zu Ritualen, die die Kräfte der Pflanzen wecken oder verstärken sollten.
Symbolik, Mondphasen und Dankesopfer spielten dabei eine Rolle. Beiser verdeutlichte dies am Beispiel der Alraune, deren menschenähnlich geformte Wurzeln als magisch galten. Um den gefährlichen «Schrei» der Pflanze zu vermeiden, wurde die Alraune an einem Freitag vor Sonnenaufgang aus dem Boden gezogen. Dabei band man sie an einen schwarzen Hund, der sie herausriss, während der Sammler mit verstopften Ohren Schutzformeln sprach.
Bräuche haben auch soziale Funktionen
Peter Schmid widmete sich der kulturellen Entwicklung von Pflanzenritualen und deren Bedeutung im Alltag. Er zeigte auf, wie Bräuche, wie etwa das Räuchern, ursprünglich dazu dienten, Naturkräfte zu ehren und Schutz für Mensch und Tier zu erbitten.
Viele heidnische Traditionen wurden in kirchliche Feste integriert. Schmid betonte, dass solche Bräuche nicht nur spirituelle, sondern auch soziale Funktionen erfüllten, indem sie Gemeinschaften stärkten und das Wissen um Kräuter generationenübergreifend bewahrten.
Vielfältige Workshops und inspirierender Austausch
Die Workshops des Herbposiums wurden von erfahrenen Dozenten der Kräuterakademie geleitet und boten eine Vielfalt an Themen. Katharina Reichmuth zeigte im ersten Workshop, wie Gemüse und Früchte durch Fermentation mit Milchsäurebakterien haltbar gemacht und veredelt werden können.
Evelin Pfeifer entführte die Teilnehmenden in die Welt der Bäume und ihrer Produkte: von würzigem Zimt über aromatisches Harz bis hin zu erfrischendem Birkenwasser. Claudia Winteler und Peter Schmid leiteten Workshops zu historischen Kräuteranwendungen, ergänzt durch das Herstellen eines Kräuterweins. Dazwischen gab es Gelegenheit für anregende Gespräche mit Referenten und anderen Teilnehmern. Viele dürften sich mit neuen Erkenntnissen auf den Heimweg gemacht haben.