In Familienhotels die Zeche geprellt – nun droht Beschuldigtem eine Unterkunft, die er nicht so einfach verlassen kann | W&O

29.11.2021

In Familienhotels die Zeche geprellt – nun droht Beschuldigtem eine Unterkunft, die er nicht so einfach verlassen kann

Er stieg in kleinen Hotels ab, reiste zu ungewöhnlichen Zeiten an – und verliess diese, wieder ohne zu bezahlen. Dafür sollte ein 62-Jähriger 18 Monate ins Gefängnis – und legte nun Berufung ein.

Von Christof Lampart
aktualisiert am 28.02.2023
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Der frühere Treuhänder ist schon lange kein unbescholtenes Blatt mehr. Seit gut einem Jahrzehnt kam er, dem ein psychiatrischer Gutachter vor einigen Jahren eine «Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen» attestierte, immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.

Die Liste seiner Verfehlungen ist lang: Mehrfacher Betrug, mehrfache Veruntreuung und Urkundenfälschung standen am Anfang, eine teilbedingte Haftstrafe sass er im Jahr 2016 ab, und 2019 mietete er Autos, obwohl der von Sozialhilfe Lebende im Vorhinein wusste, dass er sie nicht bezahlen konnte.

Gewerbsmässiger Betrug oder «nur» Zechprellerei?

Wegen desselben Musters fand er sich nun am Montag vor dem Kantonsgericht St.Gallen wieder. Denn der Mann hatte Berufung gegen ein Urteil des Kreisgerichts Toggenburg eingelegt. Dieses hatte ihn am 17. Juli 2020 des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen Zechprellerei, des mehrfachen geringfügigen Vermögensdelikts (Sachentziehung) und des Führens eines Motorfahrzeuges trotz Entzug des Ausweises schuldig gesprochen und zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.

Während die Anklage am Strafmass festhielt, forderte der Verteidiger eine Maximalstrafe von fünf Monaten, die er jedoch bereits abgesessen hat. Sein Mandant sei des Fahrens ohne Führerausweis und der mehrfachen Zechprellerei schuldig zu befinden, vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs aber freizusprechen, da die Hotels die Anmeldungen des Mannes zu wenig kontrolliert oder hinterfragt hätten.

Gezielt Familienhotels geschädigt

Im zu behandelnden Fall – das Urteil steht noch aus und wird schriftlich eröffnet – ging der Mann immer gleich vor: Er stieg zwischen dem 13. April 2019 bis zu seiner Festnahme am 30. Oktober 2019 in zehn Familienhotels in der Ost- und Innerschweiz ab, wo er oft spätnachts eincheckte beziehungsweise sich den Schlüssel hinterlegen liess, um so das Anmeldeverfahren eines Beherbergungsbetriebes umgehen zu können.

Auf den Anmeldezetteln vermerkte er stets eine falsche, nicht existierende Adresse. Auch am nächsten Tag zahlte er nicht, redete sich heraus – zum Beispiel damit, dass er ein Manager sei und zwei Firmen fusionieren müsse, von denen eine seinen Aufenthalt bezahlen würde – und verschwand dann nach wenigen Tagen auf Nimmerwiedersehen. Ebenso schädigte er eine Garage, bei der er ein Auto mietete, ohne zu bezahlen.

Anklage: Keine gute Prognose

Der Staatsanwalt bescheinigte dem Mann eine «hohe kriminelle Energie» an den Tag gelegt zu haben, um in den Hotels übernachten zu können. «Sie haben ein taktisch kriminelles Verhalten an den Tag gelegt, das berechnend und arglistig ist. Somit haben wir es mit Betrug zu tun.»

Er habe bewusst kleine Hotels und B&B-Betriebe im ländlichen Raum ausgesucht, da diese oft weniger strikt die Anmeldeverfahren durchführen wie die Häuser grosser Hotelketten. Auch habe er Familienbetriebe ausgesucht, weil sich diese oft ganz besonders um das Wohl der Gäste kümmerten. Dass er gerade jene durch sein Verhalten massiv geschädigt habe, mache sein Verhalten «niederträchtig, dreist und schamlos».

Da der Mann bereits in der Vergangenheit wegen ähnlicher Vergehen verurteilt worden war, sah die Anklage keine gute Prognose gegeben:

Er hat nur deshalb damit aufgehört, weil die Handschellen am 30. Oktober ‹klick› gemacht haben.

Selbstmitleid grösser als Einsicht?

Der Verteidiger monierte, dass er oder ein anderer Verteidiger viel zu spät herbeigezogen worden seien. Ausserdem sei das Verfahren zwischen den strafverfolgenden Institutionen – der Mann hatte in mehreren Kantonen Hotels geschädigt – schlecht koordiniert und die Polizeirapporte teilweise erst Wochen oder gar Monate nach der Befragung verfasst worden, weswegen diese «nicht verwertbar» seien.

Der Berufungskläger selbst wollte inhaltlich zu seinem Fall nichts aussagen. Zwar äusserte er Bedauern über die von ihm begangenen Taten, mass aber dem eigenen Vorwärtskommen deutlich grösseres Gewicht als der eigenen Sühne bei. Es sei für ihn wichtig, dass er nicht ins Gefängnis müsse und dass er den Führerausweis wieder erhalte, damit «ich eine Arbeit finden und so das Geld für die Alimente meiner Tochter bezahlen kann», so der Mann, der betonte, dass «es mir als 62-jähriger ‹Löli› nie mehr passieren wird, dass ich so einen Unsinn anstelle».