Junge Einbrecherin war nicht zufrieden mit Gerichtsurteil und zog es weiter ans Kantonsgericht | W&O

01.06.2022

Junge Einbrecherin war nicht zufrieden mit Gerichtsurteil und zog es weiter ans Kantonsgericht

Einer Liechtensteinerin wurde die Einreise in die Schweiz verboten, nachdem sie bei drei Einbrüchen eine Handvoll Bargeld erbeutet hatte. Das Kantonsgericht St.Gallen hob die angeordnete Landesverweisung wieder auf.

Von Rolf Vetterli
aktualisiert am 28.02.2023
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Eine Liechtensteinerin fühlte sich im Alter von 25 Jahren schon ausgebrannt. Sie kündigte die Arbeitsstelle, scheiterte bei einer selbstständigen Tätigkeit und geriet immer tiefer in die Schulden.
Da fasste sie einen fatalen Entschluss. Sie erklärte sich bereit, ihren Freund, der mit krummen Geschäften bereits ein wenig Erfahrung hatte, auf einer Einbruchstour zu begleiten.
Tausend Franken Beute, zehntausend Franken Sachschaden

In der Anklageschrift wurde das wenig raffinierte Vorgehen später so beschrieben: Die beiden wählten jeweils ein verlassenes Objekt aus, brachen die Eingangstür mit einem flachen Werkzeug auf, durchsuchten sämtliche Behältnisse, behändigten alles Bargeld, verliessen den Tatort «unter Mitnahme des Deliktsgutes» – wer hätte das gedacht – und entfernten sich unerkannt.

Auf diese Weise drangen sie im Laufe eines Monats in eine Garage sowie in zwei Restaurants ein, erbeuteten einen bescheidenen Geldbetrag von knapp tausend Franken und verursachten einen beträchtlichen Sachschaden von rund zehntausend Franken.

Karriere von Bonnie und Clyde fand ein Ende

Sie blieben vorerst unerkannt. Der Gefährte bewahrte allerdings leere Geldkassetten in seinem Zimmer auf, was der Vermieter für verdächtig hielt und der Polizei meldete.

Damit fand die Karriere des Paars als Bonnie und Clyde ein rasches und noch glimpfliches Ende.

Gericht warf ihr Mittäterschaft vor

Die junge Frau musste sich vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland wegen mehrfachen Diebstahls, jeweils verbunden mit Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, verantworten. Sie war geständig und zeigte sich reuig.

Das Gericht warf ihr vor, sie habe als Mittäterin gehandelt, weil sie selbst in die Kasse griff und nicht nur vor dem Haus Wache stand. Es hielt ihr aber zugute, dass sie von Not getrieben und vom Freund verführt worden sei, sprach eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen aus und setzte eine kurze Probezeit an.

Einbruchdiebstahl als grundsätzlicher Anlass zur Landesverweisung

Zugleich wies das Gericht jedoch darauf hin, dass der Einbruchsdiebstahl eine Katalogtat darstelle, die grundsätzlich Anlass zu einer Landesverweisung gebe. So sperrte es die Beschuldigte für die Dauer von fünf Jahren aus dem Land aus, obwohl sie in der Schweiz geboren und aufgewachsen war und bis zum Umzug sogar einen schweizerischen Pass besass.

Das Gericht nahm an, ihr Lebensmittelpunkt liege heute in Liechtenstein, wo sie die engsten Familienangehörigen, gute Kollegen, einen neuen Arbeitgeber und einen vertrauten Hausarzt habe.

Partner darf Liechtenstein nicht mehr betreten

Zwar hielten sich mehrere Verwandte – die Urgrossmutter, die Oma, etliche Tanten und die Gotte – in der Schweiz auf, aber die könnten sie ja weiterhin besuchen. Wohl lebe auch ihr Partner in der Schweiz und dürfe aufgrund seiner Vorstrafen Liechtenstein nicht mehr betreten, aber daran sei sie mitschuldig.

Den Verliebten wäre es ergangen wie den Königskindern in der Ballade: Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief – und die Brücke über den Fluss fortan gesperrt.

Gegen Landesverweis gewehrt

Die Beschuldigte mochte diesen gerichtlich verfügten Beziehungsabbruch nicht hinnehmen. Sie erklärte Berufung, anerkannte den Schuldspruch wie das Strafmass und wehrte sich ausschliesslich gegen den Landesverweis.

Das Kantonsgericht St.Gallen findet, zur Begründung eines schweren persönlichen Härtefalls reiche schon der Umstand aus, dass die Frau die prägenden Jahre ihrer Kindheit in der Schweiz verbrachte und auf die schweizerische Staatsangehörigkeit nur verzichtete, weil das Fürstentum dies bei der Einbürgerung verlangte.

Kein gewöhnliches Ausland

Das Verhältnis zwischen Liechtenstein und der Schweiz sei zudem besonders eng. Seit dem Abschluss des Zollvertrags vor bald hundert Jahren steht die Grenze zwischen den beiden Ländern weit offen.

Das Alltagsleben spielt sich auf beiden Seiten des Rheins ab. Man geht etwa nach Mels zum Einkauf, nach Chur in den Ausgang, nach Buchs zur Schule und notfalls nach Grabs ins Spital.

Liechtenstein gehört eben doch ein Stück weit zur Schweiz und ist jedenfalls kein gewöhnliches Ausland.

Vielleicht hilft Psychologiestudium der Täterin in vielfacher Hinsicht

Es wäre klar unverhältnismässig, zur Vermeidung eines minimen Sicherheitsrisikos den Aktionsradius einer Gelegenheitsdelinquentin auf wenige Quadratkilometer zu reduzieren und ihren Bekanntenkreis zu halbieren. Die Massnahme muss ohne Zweifel aufgehoben werden.

Nun kann die Liechtensteinerin ihren Traum, in der Schweiz Psychologie zu studieren, womöglich doch noch verwirklichen. Vielleicht gelingt es ihr dann auch besser, sich in die Opfer von Straftaten hineinzuversetzen.