Die Publikation vom 12. September über die sexuellen Missbräuche in der katholischen Kirche löste eine Welle der Enttäuschung, Wut, Trauer und auch Empörung aus. Die Zahl der Kirchenaustritte schnellt in die Höhe. Doch wer wird dadurch getroffen?
Die Empörung ist verständlich und nachvollziehbar. Durch Studie der Universität Zürich wurde die Ausmass der sexuellen Übergriffe durch Priester auf Kinder und Jugendliche auch für die Schweiz sichtbar. Der Versuch, durch Vertuschung seitens der Bischöfe, die Ehre der Kirche zu retten, macht diese unglaubwürdig.
Als Konsequenz reichen immer mehr dem Austritt aus der Kirche ein. Man ist nicht mehr gewillt, eine Institution zu unterstützen, die solches zulässt. Dazu muss ein Austrittsschreiben an die zuständige Kirchenverwaltung verfasst werden. Weil die Landeskirchen öffentlich-rechtliche Korporationen sind, muss das Schreiben auf dem Einwohneramt beglaubigt werden. Es ist absolut unnötig, gegen Bezahlung auf einer Internetseite ein Formular herunterzuladen.
Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, dadurch würde die Position der Bischöfe oder gar des Papstes geschwächt. Bei der Gründung des Kantons St. Gallen 1803 wurden die Kirchen verpflichtet, die Finanzhoheit eigenständig durch die Kirchgemeinden wahrzunehmen. Demokratisch gewählte Mitglieder der Kirchenverwaltungen sind den Kirchbürgerinnen und Kirchbürgern gegenüber verantwortlich, dass die Mittel zum Wohl der eigenen Kirchgemeinde und Pfarrei eingesetzt werden. Nur 4% der Steuereinnahmen werden an die Administration des Katholischen Konfessionsteils überwiesen. Damit werden nebst den Aufgaben des Bistums vor allem Sozialwerke wie die Caritas, die Kantonssekundarschule, die Kirchenmusikschule und vergleichbare Institutionen finanziert.
Die einzelnen Kirchgemeinden sind auch Arbeitgeber. Priester sind inzwischen eine Minderheit unter den Seelsorgenden. Frauen wie Männer arbeiten als Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Pfarreien. Religionslehrkräfte sind ebenso Angestellte der Kirchgemeinde, wie Messmerinnen und Messmer, Sekretärinnen und Sekretäre, Kirchenmusiker und -musikerinnen. Jugend- und Sozialarbeiterinnen. Finanziert werden auch Chöre und andere Vereine sowie der Gebäudeunterhalt. Viele der Kirchen sind Kulturdenkmäler, deren Unterhalt kostspielig ist.
Der Austritt aus der Kirche mag ein emotionaler Protest sein gegenüber einer Institution, die in einigen Bereichen versagt hat. Doch der Protest trifft die Falschen. Übersehen werden all jene, die sich mit bestem Wissen und Gewissen in der Kirche engagieren. Und das ist die Mehrheit. Durch den Kirchenaustritt werden die einzelnen Kirchgemeinden vor Ort geschwächt. Je weniger Mittel zur Verfügung stehen, umso weniger Aufgaben können wahrgenommen werden.
Pfarrer Erich Guntli, Dekan Sargans - Werdenberg, Pfrundgutstrasse 5, 9470 Buchs