Der Anlass zu dem eher seltenen Stelldichein eines gesamten Gemeinderates an Schranken liegt in drei Leserbriefen. Zwei kritische Voten stammen aus der Feder einer Frau, die den Gemeinderat anzeigte, als der schliesslich selbst mit einem Leserbrief antwortete. Sie fühlte sich durch die gemeinderätlichen Stellungnahme in ihrer Ehre verletzt, weil sie ihren Ruf geschädigt sah.
Der Gemeinderat, für den die Unschuldsvermutung gilt, stellt sich seinerseits auf den Standpunkt, lediglich eine Klarstellung publiziert zu haben. «Es ist ein hohes Gut, dass alle ihre Meinung in pointierten Leserbriefen kundtun können. Es gehört zu den Pflichten eines Gemeinderats, solche Kritik ernst zu nehmen und auch bei nicht exakt wiedergegebenen Fakten ein paar Augen zuzudrücken.
Wenn aber in losen Abständen immer wieder Falschmeldungen auf diese Weise gestreut werden, muss auch eine Behörde die Sache richtigstellen dürfen.» Nur das habe er getan.
Falsche Tatsachen behauptet?
So habe die Leserbriefschreiberin öffentlich behauptet, der Gemeinderat habe das alte Schotterwerk beim ehemaligen Gonzenbergwerk ohne jede vorherige Information erworben. Falsch, antwortet dieser. Es sei an einem gut besuchten öffentlichen Anlass sehr wohl orientiert und diskutiert worden.
Davon abgesehen sei das «Schotti» überhaupt nicht erworben worden. Auch diese Behauptung sei also falsch. Und sehr wohl seien umstrittene Themen wie Altlasten, Investitionskosten und Trägerschaft offen, kontrovers und transparent diskutiert worden. Also nochmals falsch.
Kurz, was die Leserbriefschreiberin schreibe, stimme einfach nicht und werde auch durch Wiederholung nicht wahrer. Zudem suggeriere sie, dass der Gemeinderat heikle Themen verschweige. Auch das stimme nicht. Er empfinde es deshalb als unfair, wenn sie Fakten wider besseres Wissen verdrehe und Falschmeldungen in die Welt setze.
Er wünsche sich Rückmeldungen, die auf Fakten beruhen und keinen «Schabernack». Der gehöre an die Fasnacht, die just zu diesem Zeitpunkt, im Februar 2019, noch unbedarft und coronafrei durch die Region tobte.
Eine Sache fürs Gericht?
Die Anklage geht davon aus, dass die gewählten Begriffe «Verdrehen», «Schabernack» und «Falschmeldungen» den Tatbestand der Ehrverletzung erfüllen. Die schwererwiegenden Straftatbestände der Verleumdung oder Beschimpfung werden zwar nicht erreicht, wohl aber jene der so genannten üblen Nachrede. Ein Gemeinderat hätte sich auf eine objektive Richtigstellung der blossen Fakten beschränken müssen, so die Anklage.
Sie fordert deshalb neben dem Schuldspruch Geldstrafen in Höhe von jeweils zehn Tagessätzen, bedingt auf zwei Jahre. Das entspricht bei den fünf Beschuldigten einkommensbedingt jeweils einem Betrag zwischen 1900 und 3300 Franken.
Zudem sei die Anzeigenerstatterin für ihre Anwaltskosten mit 3000 Franken zu entschädigen, mit je 600 Franken von den fünf Angeklagten anteilig zu zahlen. Die geforderte Genugtuung sei auf den Weg eines Zivilprozesses zu verweisen.
Das Gericht dürfte neben den rein objektiven Fakten auch zu prüfen haben, ob eine Behörde im konkreten Fall eine möglicherweise nachvollziehbare Verärgerung auch einmal zum Ausdruck bringen darf oder ob das ihren Pflichten widerspricht.
Zudem dürfte wohl zu prüfen sein, ob der so genannte subjektive Tatbestand vorliegt, also böse gemeinte Absicht. Gesellschaftspolitisch betrachtet steht zudem die Frage im Raum, ob Fragen der öffentlichen Debatte und des Anstands sinnvollerweise von Gerichten zu klären sind.