Kritischer Nachruf zu Papst Franziskus: Haltlose Unterstellungen | W&O

Werdenberg vor 5 Stunden

Kritischer Nachruf zu Papst Franziskus: Haltlose Unterstellungen

Leserbriefautor Josef Dudli kritisiert den Inhalt des am 23. April veröffentlichten Artikels «Franziskus, der vermeintliche Reformer».

Von Josef Dudli
aktualisiert vor 5 Stunden
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Bei verstorbenen Personen ist es üblich, eher das Positive hervorzuheben und mit Kritik zurückzuhalten. Natürlich kann man bei bekannten Persönlichkeiten auch Negatives ansprechen. Schlicht erschrocken bin ich aber über den auf einer ganzen Seite dargelegten «Verriss» von Papst Franziskus durch einen angeblich «preisgekrönten Publizisten und Theologen». Es ist mehr oder weniger eine Aneinanderreihung von Halbwahrheiten, Unwahrheiten, Behauptungen und unbelegten Spekulationen, und eines Theologen unwürdig.

Dem Papst seien Werte wie Gleichstellung, Demokratie und Gewaltenteilung fremd, wird behauptet. Und von dieser Behauptung ist dann der Schritt schnell gemacht zur Unterstellung, dass er seinerzeit mit der seinerzeitigen argentinischen Militärjunta kooperiert und sich nicht für Verschwundene interessiert hätte.

Und obwohl es bei Jesuiten üblich ist, dass deren Mitglieder weltweit umplatziert werden, wird behauptet, dass er 1990 ins Exil ins spanische Cordoba «verbannt» wurde. Herrscher, Autokrat, undialogisch eigenmächtig, eine Person, der das psychologische Gleichgewicht fehle und den Jesuiten-Orden gespalten hätte, sind weitere Attribute für den Verstorbenen. Ein eher lustiger Vorwurf ist, dass Franziskus die «marxistische(!) Gesellschaftsanalyse ablehnte», was ja für einen Christen durchaus keine Seltenheit sein dürfte.

Und es wird ihm tatsächlich vorgeworfen, dass er auf den Dialog(!) setzte mit den beiden «autoritären und antiwestlichen Religionsgemeinschaften» wie dem Islam und der orthodoxen Kirche. Aber die reformierten Kirchen des Westens hätten ihn nicht interessiert, wird weiter schwadroniert. Dass diese Kirchen ja keine oberste Leitung haben wie die katholische, und deshalb dieser Dialog wohl besser lokal, regional oder national erfolgt und auch funktioniert, wird durch diesen «Religionsexperten» verschwiegen.

All das wäre noch erträglich, wenn nicht in der Artikelmitte noch ein ungeheuerlicher Vorwurf erhoben würde. Als angeblicher Freund der argentinischen Militärjunta hätte er «1976 bei der gewaltsamen Verschleppung» von zwei Ordenskollegen «mit der Junta gemeinsame Sache gemacht».

Zwischen einer Duldung einer Diktatur und einer aktiven Mitwirkung beim Verrat und Verschleppung von zwei Kollegen ist doch ein gewaltiger Unterschied. Franziskus als eigentlicher Judas? Ein Googeln nach den Lebensläufen der beiden Kollegen zeigt auf: Als Bergoglio (der spätere Papst Franziskus) erfahren hatte, dass diese Kollegen auf der Fahndungsliste des Militärs stehen, hätte er sie aufgefordert, ihren Wohnort zu verlassen und in eine Jesuitenkommunität unterzutauchen.

Die beiden verzichteten darauf. Sie wurden zwei Monate später verhaftet, und nach fünf Monaten Verhör und Folter wieder freigelassen. Als die Vorwürfe nach der Papstwahl im Jahre 2013 auftauchten, war einer der beiden Kollegen bereits verstorben und der andere Kollege wies die Anschuldigungen klar und unmissverständlich zurück.

Josef Dudli, Bogenstrasse 3, 9470 Werdenberg