Die Geschichte spielt in einer kleinen Gemeinde, die für sprichwörtliche Dickschädel einen gewissen Ruf erworben hat. Wobei in diesem Fall korrekterweise von Dickschädelinnen die Rede sein müsste, krachten doch die Grinde zweier Damen aufeinander. Zu einem einfachen Gespräch ist es von beiden Seiten aus jedenfalls nie gekommen.
Als Hauptdarstellerin im Streit darf eine bisher unbescholtene Seniorin gelten, die sich ihrem Achtzigsten nähert. Sie wohnt seit Menschengedenken an einem idyllischen Plätzchen am Dorfrand. Mit der Zeit entwickelte sich das Gebiet zu einem hübschen Wohnquartier mit lockerer, doch zunehmender Bebauung. Platz und Aussicht nahmen ab. So erwachte der Revierinstinkt.
Handwerkliche Nacht- und Nebelaktion
Ihr Nachbar stellte eines schönen Tages einen Lattenzaun auf die Grundstücksgrenze, dort, wo einst ein Blumenrabatt die Demarkationslinie schmückte. «Ich wusste schon, dass er einen Zaun macht, aber doch nicht so einen», ärgert sich die Frau vor dem Richter. Er sei blickdicht gewesen und in massive Betonsockel eingelassen, die sich auch noch auf ihrem Grundstück befunden hätten. Das mochte sie nicht dulden.
Als der Nachbar später auszog, schien die Gelegenheit günstig. Sie bot ihre Schwester auf, dann schritt das rüstige Duo ratzfatz zur Tat. Mit Hammer und Bohrmaschine bewaffnet, kappten die handwerklich versierten Damen den Sichtschutz und versorgten ihn.
Ebenso fachgerecht erstellen sie ersatzweise einen Maschendrahtzaun, verankert zwar in den ominösen Betonsockeln, doch Hauptsache, die Sicht war wieder frei.
Neue Nachbarin wollte Geld zurück
Eine Woche später zog jedoch eine Familie mit Kindern zu. Die junge Hausfrau hatte dem Vormieter im Vorfeld die Kosten für den Lattenzaun erstattet und 600 Franken berappt. Doch beim Einzug war der Zaun weg, darum wollte die Frau das Geld nun von der Rentnerin zurück. Die aber dachte nicht daran.
Die Kontrahentin schaltete ihren Rechtsschutz ein, der setzte ein saftiges Schreiben auf. Die Seniorin holte sich Rat beim Hauseigentümerverband, der riet, auf keinen Fall zu zahlen.
Es folgten eine Anzeige, ein Strafbefehl wegen Aneignung und Sachbeschädigung, eine Einsprache und zuletzt die Verhandlung vor Gericht. Vorher mal miteinander reden, Fehlanzeige.
Beide reichen sich die Hände
Doch an Schranken schien nach einer Stunde plötzlich eine Einigung möglich, auch dank dem umsichtigen Richter. Das Vergleichsangebot lautete auf Erstattung der 600 Franken durch die Seniorin, zuzüglich 100 Franken sowie einer mündlichen Entschuldigung für die Umtriebe. Dafür zieht die Gegenseite ihre Anzeige zurück. Die Verfahrenskosten von 1550 Franken werden zur Hälfte der Angeklagten auferlegt, zur anderen Hälfte dem Staat.
Der Fall landete vor dem Kreisgericht in Mels.
Beide Seiten gaben sich, wenn auch etwas schmallippig, das Ja-Wort, gleich unterschriftlich besiegelt – und flugs war das Verfahren eingestellt. So geht die Seniorin ohne Vorstrafe in ihren Lebensabend, während die Familie demnächst an einen ruhigeren Ort zügelt.
Pointe krönt Posse
Die Frage, ob der Zaun tatsächlich auf fremdem Grundstück stand, blieb ungeklärt, weil das im Strafverfahren keine Rolle spielt. Juristische Feinspitze dürfte der Fall gleichwohl erheitern, gilt doch im Blick auf das abgrenzende Corpus Delicti, den Zaun, das so genannte «sachenrechtliche Akzessionsprinzip».
Danach gehören Gegenstände, die mit dem Boden fest verbunden sind, prinzipiell dem Grundeigentümer, nicht etwa dem Mieter, der sie errichtet hat, wie beispielsweise einen Swimmingpool im Garten oder eben einen einbetonierten Zaun.
Kurz, der Zaun-Aufsteller hat in Wahrheit dem Hauseigentümer unwissentlich einen Zaun geschenkt und ihn dann verkauft, obwohl er ihm gar nicht gehörte. Diese Pirouette erwartet noch ihre juristische Klärung.