Ein grosser Teil des Bevölkerungswachstums im Werdenberg ist der prosperierenden Wirtschaft in Liechtenstein geschuldet. Es ist hinlänglich bekannt, dass Topverdiener (Mitarbeiter in Liechtenstein oder Schweiz) in Liechtenstein wohnen dürfen und von den sehr tiefen Steuerabgaben im Fürstentum profitieren.
Es ist auch bekannt, dass Arbeitnehmer, die im Fürstentum Liechtenstein arbeiten, in der Schweiz Wohnsitz nehmen dürfen. Folgendes ist wenig bekannt (siehe Artikel von Thomas Schwizer im W&O vom 6. April 2017, «Region – und Liechtenstein profitiert doch»): Die Grenzgängereigenschaft entfällt, wenn die Person in einem Kalenderjahr an mehr als 45 Arbeitstagen nach Arbeitsende aus beruflichen Gründen nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Das kann sein infolge Geschäftsreisen, Geschäftsessen, Pikettdienst, Weiterbildung und mehr.
Ein zum Beispiel im Werdenberg wohnender Vertreter kommt auf 50 oder mehr solcher Tage, dann wird er für die restlichen Tage in Liechtenstein besteuert, bei jährlich 240 Arbeitstagen sind das 240 Tage minus 50 Tage gleich 190 von 240 Tagen. Das entspricht rund 79 Prozent des Nettoeinkommens, welches in Liechtenstein besteuert wird. Wenn jemand mehr als 45 Minuten (mit Transportmittel) vom Arbeitsort in Liechtenstein entfernt wohnt, kann er in einem Hotel, Jugi, Zimmer im Grenzraum übernachten. Und wenn er damit über die 45-Tage-
Marke kommt, dann wird er hauptsächlich in Liechtenstein besteuert, rund maximal 80 Prozent werden dort besteuert.
Weiteres Beispiel: Ein Zuzüger aus der EU wohnt im Werdenberg oder in Zürich, hat drei Kinder, hat diese alle über zehn Jahre in der Schule und wird im Falle dieser Nichtrückkehrtage-Klausel bis zu 80 Prozent in Liechtenstein besteuert. Das anfallende Steuersubstrat in der Schweiz ist nicht atemberaubend, im Falle einer längeren Arbeitslosigkeit ist dann der Schweizer Staat gefordert. Ich frage mich, wer so etwas aushandelt aus Schweizer Sicht? Es liegt auf der Hand, dass es für den einen oder anderen Steuerzahler erstrebenswert ist, die Hürde zu überwinden, um primär in Liechtenstein besteuert zu werden. Diese Gelder fehlen dann den Schweizer Gemeinden.
Ich frage mich, für wen und wie das starke Bevölkerungswachstum einen Nutzen hat? Auf die Gemeindesteuerfüsse scheint sich das Bevölkerungswachstum – wie die Zahlen zeigen – nicht positiv auszuwirken. Beispiele wie oben helfen auch nicht. Die aufgeblähte Bauindustrie profitiert offensichtlich. Diese Erträge fallen hauptsächlich einmal an und sind nicht nachhaltig. Mit dem starken Bevölkerungswachstum und dem Ressourcenverschleiss macht sich das Werdenberg meiner Einsicht nach abhängiger und schränkt den Handlungsspielraum für künftige Generationen ein. Verbessert sich die Lebensqualität für den Einzelnen? Der Dichtestress (Stau etc.) nimmt auf jeden Fall zu. Nachhaltigkeit sieht aus meiner Optik anders aus.
P.S.: Ich gehe oft und gerne nach Liechtenstein, schätze das Land und habe Freunde dort.
Rolf Vorburger, Fachstrasse 29, 8942 Oberrieden