Mit dem Titel «Antisemitismus könnte wieder salonfähig werden» veröffentlichte der W&O am 11. November ein bemerkenswert offenes Interview mit der alt Bundesrätin Ruth Dreyfuss. Es war getragen von Sorge, Mitgefühl mit allen Menschen und klaren Aussagen zur Einhaltung der Menschenrechte und dem Hinweis, dass Kriegshandlungen verhältnismässig sein müssen. Vielen Dank für diesen vornehmen und klaren Beitrag. Wir müssen den offenen und noch mehr versteckten Antisemitismus bekämpfen, der nicht zuletzt in den bisherigen und künftigen Pro-Palästina-Demonstrationen zu beobachten war.
Statt dieser Veranstaltungen wäre für mich eine Mahnwache für und mit Israel wichtiger, gemeinsam mit Tausenden auch in Israel, die gegen das unmenschliche Vorgehen der Regierung Netanjahu demonstrieren. Dieser hat bei seiner Aufgabe, für die Sicherheit der Juden in Israel zu sorgen, völlig versagt. Jetzt nimmt er, um seinen Rachekrieg «langdauernd und blutig» durchzusetzen, die Zerstörung der Lebensgrundlagen im Gaza-Streifen als «Kollateralschaden» hin und löst einen weltweiten Antisemitismus aus. Tausende von Toten, materielle Schäden und eine weltweite politische Vergiftung auf Jahrzehnte sowie terroristische Anschläge auf der ganzen Welt sind die Folgen.
Zur Erinnerung: vor Jahren konnte Netanjahu nur durch den israelischen Geheimdienst und eine Revolte in der Armee von einem Angriffskrieg gegen den Iran abgehalten werden. In seiner jetzigen Rechtsaussen-
Regierung sitzen extreme Politiker, die bei uns wegen Verhetzung und Rassismus schon längst verurteilt worden wären. Hat Premier Netanjahu den weltweiten Antisemitismus nicht vorhersehen können, ja müssen? Was er jetzt ausgelöst hat, ist auch eine Steilvorlage für den weltweiten Islamismus und führt zu einer ebenso gefährlichen Islamophobie in der westlichen Welt ... und zerstört jede Möglichkeit, den Konflikt und den gegenseitigen Hass mit politischen Mitteln zu überwinden.
Der Massenmord der Hamas hat die Juden in Israel traumatisiert wie noch nie seit der Shoah. Ich verstehe die Angst, in der jetzt die Juden weltweit leben. Ich verstehe auch die Verbitterung der palästinensischen Bevölkerung über die jahrelangen wirtschaftlichen und rechtlichen Schikanen, die illegale Tötung von Aktivisten. Eine Mahnwache sollte es sein für alle Gewalt-Opfer in Palästina/Israel, für die sinnlos massakrierten Israeli vom 7. Oktober wie für die Zehntausenden getöteten oder sterbenden Zivilpersonen im Gazastreifen wie auch für die über 200 seither im besetzten Westjordanland von Siedlern oder Soldaten umgebrachten Palästinensern: eine Trauer über dieses Töten und ein Mahnmal gegen die Sinnlosigkeit von Rache, aber ein Einstehen für die Gerechtigkeit gegenüber allen Bewohnern/-innen von Palästina/Israel.
Otto Ackermann,
Profasonweg 7, 9476 Fontnas