«Man kann nichts machen, nur hoffen»: So erlebte die Gamser Auswandererfamilie Tscharner Hurrikan Milton in Florida | W&O

Gams/Florida 10.10.2024

«Man kann nichts machen, nur hoffen»: So erlebte die Gamser Auswandererfamilie Tscharner Hurrikan Milton in Florida

Vor zwei Jahren haben Melanie und Mario Tscharner aus Gams den Schritt gewagt und sind nach Florida ausgewandert. Dass ein Leben im US-Südstaat nicht nur Sonnenseiten hat, haben sie jetzt bitter erfahren müssen. So hat die Familie die Hurrikane Helene und Milton in ihrem Zuhause in Sopchoppy erlebt.

Von Christa Kamm-Sager
aktualisiert am 10.10.2024
Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 9 Franken im Monat oder 96 Franken im Jahr.

Dass die Familie Tscharner aus Gams mutig, zielstrebig und positiv in ihr Abenteuer Florida gestartet ist, konnte die ganze Schweiz Anfang Jahr in der SRF-Auswandererserie «Auf und davon» miterleben. Sie haben viele Hürden gemeistert, in kurzer Zeit fleissig ein kleines Unternehmen mit der Vermietung von Ferienunterkünften aufgebaut und sich in ihrer neuen Heimat Sopchoppy vollends integriert und dabei nie verzagt gewirkt.

Doch jetzt haben zwei Hurrikane in kurzer Zeit ihr Leben auf eine Probe gestellt. Da Hurrikan Helene Ende September direkt auf ihren Wohnort im nördlichen Florida zusteuerte, fuhren sie mit ihrem Auto ein paar Stunden nördlich Richtung Alabama, um sich in Sicherheit zu bringen. Grosse Erleichterung dann bei der Rückkehr: Der Hurrikan hatte kurz vor dem Landgang etwas abgedreht, ihre Immobilien blieben ohne Schäden.

Bis zum Hurrikan Helene hätten sie noch nie so eine bedrohliche Situation erlebt. «Das sind schon schwere Stunden der Unsicherheit, bis man weiss, ob der Sturm direkt über dein Haus fegt oder nicht. Man kann nichts machen, nur hoffen», sagt Melanie Tscharner.

Massen flüchteten Richtung Norden

Und jetzt schon wieder: Hurrikan Milton, der auch als Jahrhundert-Hurrikan bezeichnet wurde, fegte in der Nacht auf Donnerstag gnadenlos über Florida hinweg. Mit rund 400 Kilometern Entfernung lag das Zentrum des Hurrikans zwar weit weg von Sopchoppy. Doch der ganze Staat stand in Alarmbereitschaft, Massen flüchteten Richtung Norden. Hotels und Motels waren überall ausgebucht. Das Ehepaar Tscharner bot 15 befreundeten Schweizern aus Tampa und Ft. Myers in ihrem Haus ein sicheres Dach über dem Kopf an.

zum Video von TVO

Nach der Sturmnacht gibt Melanie Tscharner am Telefon Auskunft über ihre Situation. Am Mittwochabend hätten sie noch gemeinsam in einem Restaurant am Strand gegessen. «Der dunkle Himmel, dann ein Regenbogen und der einsetzende Wind waren ein eindrückliches Naturschauspiel.» Jetzt, am frühen Morgen, sei es für sie schwierig, an Informationen über die aktuelle Situation in den betroffenen Gebieten zu kommen.

Auch unsere Freunde wissen noch nicht, ob ihre Häuser noch stehen.

Da der Strom weiträumig ausgefallen sei, seien keine Bilder auf den Überwachungskameras verfügbar. Sie würden jetzt eine gemeinsame Krisensitzung abhalten und schauen, wie es weitergehe.

Haus steht seit 130 Jahren

Sopchoppy an der Forgotten Coast am Golf von Mexiko sei in den letzten Jahren nie von einem schlimmen Hurrikan betroffen gewesen. «Unser Haus, in dem wir leben, steht seit 130 Jahren.» Sie seien sehr dankbar dafür, denn ein Haus in den USA zu versichern, sei ein Witz. «Das ist erstens unbezahlbar und bringt zweitens nach einem Ereignis fast nichts.» Dafür sei die Solidarität in den USA unglaublich gross:

Die Amerikaner sind eher gewohnt, dass etwas nicht so beständig ist. Und sie sind voller Liebe und Empathie tatkräftig für andere da, wenn es Hilfe braucht.

Von dieser Hilfsbereitschaft könne sich so manch ein Europäer eine Scheibe abschneiden, drückt sich die Werdenbergerin aus.

Naturgewalten gehören in Florida dazu

Es scheine für sie fast so, als ob man sich in Europa mehr mit dem Hurrikan Milton und den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen beschäftige als in den USA selber. «Klar läuft hier auch rund um die Uhr das Neuste zum Hurrikan am TV. Ich muss mich richtig davor schützen und abschalten.» Aber diese Naturgewalten würden hier in Florida eher akzeptiert, weil sie einfach dazugehörten.

Geniessen das amerikanische Lebensgefühl: Mario, Ruby Sue, Melanie und Lili Rose Tscharner in ihrem neuen Zuhause.
Geniessen das amerikanische Lebensgefühl: Mario, Ruby Sue, Melanie und Lili Rose Tscharner in ihrem neuen Zuhause.
SRF

Nach gut zwei Jahren in der neuen Heimat sei nochmals mehr klar geworden, dass Auswandern kein Zuckerschlecken sei. Die Motivation und die Energie seien zwischendurch auch mal etwas weg. Die unglaubliche Bürokratie in den USA habe nichts vom «The Land of the Free». «Aber wie die Menschen hier fürsorglich miteinander umgehen, ist sehr schön. Deshalb fühlen sich auch unsere Mädchen sehr wohl in der Schule und wollen nicht mehr in die Schweiz zurück», so Melanie Tscharner.