Mini-Aufweitung des Rheins: Umweltorganisationen genügen Massnahmen nicht | W&O

24.03.2022

Mini-Aufweitung des Rheins: Umweltorganisationen genügen Massnahmen nicht

Nur eine bescheidene Verbesserung der ökologischen Situation - so teilen die Umweltverbände mit. Das Potenzial dieses grössten Biodiversitätsprojekts wird nicht ausgeschöpft.

Von PD
aktualisiert am 28.02.2023
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Die Umweltverbände haben zwei Studien in Auftrag gegeben, um zu zeigen, wo und in welchem Umfang Aufwei­tungen am Alpenrhein möglich sind. Die Studien zeigen, dass die Ausschreibung der Behörden für eine Aufweitung im Abschnitt Eschner Au das Po­tenzial in diesem Abschnitt bei weitem nicht nutzt. Dies schreiben die Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz LGU, WWF St. Gallen, Pro Natura St. Gallen-Appenzell und Werkstatt Faire Zukunft in ei­-ner gemeinsamen Medienmitteilung. Die behördliche Mini-Variante würde damit die gesetzlichen Vorgaben für eine Ge­wässerrevitalisierung an diesem Standort nicht erfüllen, weil die Aufweitung zu kurz und zu eng geplant wird.

Behörden müssten Wiederherstellung planen

Die Gesetzgebung in der Schweiz und in Liechtenstein schreibt vor, dass bei Eingriffen in ein Gewässer dessen natürlicher Verlauf möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden muss, heisst es in der Mitteilung weiter. Diese Vorgabe richtet sich nach der technischen Machbarkeit. Derzeit sind auf dem liechtensteinisch-sanktgallischen Rheinabschnitt umfassende Dammsanierungen in Planung und teilweise bereits in Arbeit. Aus diesem Grund müssten die Behörden auch die Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs des kanalisierten und weitgehend leblosen Alpenrheins planen und umsetzen; und zwar nicht in Mini-Varianten, sondern so weit wie möglich.

Eine der wenigen möglichen grossen Aufweitungen

Die Umweltverbände Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz LGU, WWF St. Gallen, Pro Natura St. Gallen-Appenzell und Werkstatt Faire Zukunft haben Gutachten in Auftrag gegeben, um die Rheinabschnitte mit dem höchsten Aufwertungspotenzial zu er­mitteln. Gestützt darauf wurden Karten erstellt, die das Potenzial für ökologische Verbesserungen aufzeigen. Dabei hat sich gezeigt: Zwischen Reichenau und der Illmündung gibt es nur drei Abschnitte, an denen durch genügend lange und breite Aufweitungen neue Kernlebensräume entstehen können – von Auwäldern über Kies- und Sandbänke bis hin zu Tümpeln. Diese Abschnitte liegen bei Trimmis, Sargans-Fläsch-Balzers und Schaan-Buchs-Eschen («Eschner Au»).

Profitieren würde die Natur und die Bevölkerung

Diese Ökosysteme und Lebensgemeinschaften werden bei Revitalisierungen von den Gewässerschutzvorschriften beider Länder gefordert und es wäre eine verpasste Chance, das Potenzial dieses grössten Bio­diversitätsprojekts unserer Zeit am Alpenrhein nicht auszuschöpfen, schreiben die Umweltverbände in ihrer Mitteilung. Profitieren würde nicht nur die Natur, sondern auch die Bevölkerung. Es würden attraktive Flusslandschaften als Erholungsräume entstehen, und die neuen Dämme bieten grösstmöglichen Hochwasserschutz. Zwischen den Kernlebensräumen gäbe es Platz für weitere Revitalisierungen, die wichtige Funktionen erfüllen, aber aufgrund der engen Platzverhältnisse nicht die ökologische Bedeutung dieser grossen Aufweitungen haben können.

Maximale Perimeter für künftige Aufweitung definiert

Für die Aufweitung oberhalb der Eschner Au haben die Behörden bereits eine Ausschreibung für die Projektentwicklung veröffentlicht. Darin wurde der maximale Perimeter für die künftige Aufweitung definiert. Gemäss den Studien, die die Umweltverbände bei renommierten Planungsbüros in Auftrag gegeben haben, würde mit der Behördenvariante kein natürlicher Verlauf des Rheins mit einem natürlichen Auenwald erreicht werden. Dafür ist die ausgewählte Projektstrecke zu kurz und die geplante Aufweitung zu schmal. Nicht einmal die Hälfte des Potenzials würde ausgeschöpft, erforderliche Auenlebensräume entstünden nicht.

Organisationen fordern Variantenstudium

Nach Ansicht der Umweltor­ganisationen hätten Varianten geprüft und miteinander ver­glichen werden müssen, bevor eine Ausschreibung für eine Projektentwicklung mit definiertem Perimeter erfolgt. So hätte sich gezeigt, wie gross die Aufweitung werden kann und muss, damit die Natur hier ihren gebührenden Platz erhält und damit die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Der Vergleich der Studien mit dem ausgeschriebenen Projekt zeigt, dass sich wegen fehlender Breite und Länge nur eine bescheidene Verbesserung der ökologischen Situation ergeben würde. Die Umweltorganisationen fordern die Behörden deshalb auf, ein umfassendes Variantenstudium durchzuführen sowie den Planungsperimeter in der Breite und Länge entsprechend zu erweitern. Eine Interessenabwägung fände wie gesetzlich vorgeschrieben im Zuge des Prozesses statt. Ausserdem fordern die Umweltorganisationen eine Gesamtplanung für den Abschnitt Liechtenstein – St. Gallen, damit gleichzeitig mit den Dammsanierungen auch die ökologische Aufwertung des Alpenrheins wie gesetzlich gefordert an die Hand genommen wird und koordiniert abläuft.