Bereits 1903 wurde in Stein Ski gefahren. Ulrich Forrer, Schreinermeister aus Stein, baute 1904 die ersten Ski. 1905 wurde der Skiclub Stein gegründet. Der SC Stein wurde als einer der ersten Skiclubs schweizweit in den 1904 gegründeten Schweizerischen Skiverband (SSV) aufgenommen. Zu Beginn der Steiner Skigeschichte nutzten Bauern das neue Fortbewegungsmittel für den Transport der Milchtansen vom Berg hinunter nach Stein.
Weitere Dörfer im Obertoggenburg eiferten den Steinern nach und gründeten Skiclubs. Im Jahr 1908 Wildhaus, ein Jahr später Unterwasser, Alt St. Johann und Nesslau.
In einem Propaganda-Büchlein des Toggenburger Verbandes der Verkehrsvereine aus den 1930er-Jahren ist zu entnehmen, dass der Wintersport plötzlich da war. Beliebt war das Obertoggenburg gemäss diesem Büchlein hauptsächlich wegen des ausserordentlichen Terrains. In dem hügeligen Gelände fänden der Anfänger wie auch der ausgebildete Skifahrer dem Können entsprechende Halden und Berghänge.
Skisprungschanze war Teil einer bekannten Tournee
Auch im Skisprung waren die Toggenburger Pioniere. Schon früh wurden in mehreren Dörfern Sprungschanzen gebaut. 1910 gab es Ideen für Sprunghügel in Wildhaus. 1920 bauten Skispringer die Klostobel-Schanze in Unterwasser, 1929 die Säntis-Schanze in Unterwasser. Im Jahr 1936 wurde diese Schanze mit dem internationalen Skispringen weltweit bekannt. Nebst dem Norweger Birger Ruud, der mit 56 Metern den Schanzenrekord hielt, nahmen jeweils auch mehrere Einheimische am Wettkampf teil.
Das internationale Skispringen Unterwasser wurde fortan zusammen mit St. Moritz, Arosa und Le Locle Teil einer Tournee. Im Jahr 1969 war die letzte Austragung dieses Skispringens, dies obwohl die Veranstaltung Zehntausende Zuschauer ins Dorf brachte.
Die Skisprungveranstaltungen zogen früher im Toggenburg ein enormes Publikum an. Wie am internationalen Skispringen in Unterwasser im Januar 1961.
Die Schanze entsprach nicht mehr den Anforderungen des Internationalen Skiverbandes FIS. Dem Skiclub fehlten die Mittel für den Bau einer neuen Schanze. Nach den Erfolgen des Wildhausers Walter Steiner errichtete man die Mattenschanze in Wildhaus. 2018 wurde die Anlage in der Kollersweid ausgebaut. Sie ist ein wichtiger Standort für den Skisprung-Nachwuchs.
Von früh an verzeichnete die Region Ski-Erfolge
In den 1920er-Jahren erzielten Mitglieder des SC Unterwasser die ersten Erfolge im Skisprung. Karl Schlumpf aus Unterwasser gewann 1924 in St. Moritz bei den Junioren und erhielt ein Preisgeld von 2.05 Franken. In den frühen 1930er-Jahren waren die Obertoggenburger eine Klasse für sich in der Vierer-Kombination: Skisprung, Langlauf, Abfahrt und Slalom. Der wohl bekannteste Obertoggenburger war Niklaus Stump aus Wildhaus.
An den Olympischen Winterspielen 1948 in St. Moritz belegte er in der Nordischen Kombination den 4. Rang. In den 50er- und 60er-Jahren schrieben die Geschwister Forrer aus Wildhaus Skigeschichte. Ab den 1970er-Jahren sorgte der Wildhauser Skispringer Walter Steiner, auch «Vogelmensch» genannt, für Erfolge. Ihm folgte Simon Ammann. Der Doppel-Doppel-Olympiasieger ist als «Adler aus dem Toggenburg» bekannt.
Heute wie damals 1939 trainieren Skispringer in Wildhaus.
Mehrere Projekte kurbelten den Tourismus an
Mit dem Aufschwung des Wintersports mussten neue Attraktionen her, damit die frisch gewonnenen Gäste dem Toggenburg nicht wieder den Rücken zeigten. Im Jahr 1934 wurde die Drahtseilbahn Unterwasser – Iltios erbaut. Die Baukosten betrugen 766362 Franken.
Eine Bergfahrt kostete damals 1.50 Franken und eine Retourfahrt 2 Franken. Im Jahr 1937 folgte in Wildhaus die Schlitten-Seilbahn «Funi» von Wildhaus ins Oberdorf. 1946 wurde die Sesselbahn von Alt St. Johann auf die Alp Sellamatt in Betrieb genommen. Danach entstanden im ganzen Obertoggenburg weitere Skilifte und Bahnen. Die neusten sind die Stöfeli-Bahn in Unterwasser, diese wurde 2016 eröffnet und in Wildhaus nahm 2020 die Familienbahn Oberdorf-Freienalp den Betrieb auf.
Ein Unterwässler lehrte einem Sir das Skifahren
Das Obertoggenburg war auch beim Adel beliebt. Im Jahr 1934 sorgte Königin Wilhelmina der Niederlande und die Kronprinzessin Juliana für Aufsehen. Die Königin stieg mit ihrer Tochter und 16 Bediensteten im Hotel Sternen in Unterwasser ab, dies für einen vierwöchigen Kur- und Sportaufenthalt. Prinzessin Juliana erhielt Skiunterricht von einem einheimischen Skilehrer.
Die Königin unternahm derweil mit Vergnügen Schlittenfahrten in die nähere Umgebung. Die Ski kamen vom «Skibüdeli». Dieses befand sich im Rossstall des Hotels Sternen. Inhaber Walter Sutter war der Sohn des Skiwagners Eduard Sutter, welcher die Ski der Marke Toggenburg in Alt St. Johann herstellte. Im darauffolgenden Winter ist Königin Juliana ein zweites Mal für drei Wochen nach Unterwasser gekommen, dies weil es ihr so gut gefallen hatte.
Auch der 1999 durch Königin Elisabeth II. in den Adelsstand erhobene Sir Stirling Crauford Moss verbrachte Ende der 1950er-Jahre zweimal Winterferien in Unterwasser. Der britische Automobilrennfahrer lernte bei Toni Stump aus Unterwasser das Skifahren. Später zog es andere Reiche, ihn, wie auch seine Sportkameraden nach St. Moritz.
Die «Skicracks» (von links): Niklaus Stump, Walter Steiner, Alfred Kleger, Karl Schlumpf, Walter Sutter auf einem Gruppenfoto. Bilder: PD
Vergangenheit wird beibehalten
Die Vermächtnisse der Skipioniere des Toggenburgs will Nostalski Toggenburg pflegen. Verantwortlich für Nostalski Toggenburg sind vier Frauen aus Unterwasser. Zur Pflege dieser Tradition wird im Frühling jeweils ein nostalgisches Skirennen ausgetragen, kommenden März bereits zum fünften Mal. Die ersten drei Austragungen waren in Krummenau. Letzten Winter das erste Mal in Unterwasser.
https://vimeo.com/693020364
Am Nostalgie-Skirennen stehen der Spass und das gesellige Zusammensein im Vordergrund. Wobei das «Prahlen» über vergangene Zeiten auf und neben der Piste Programm ist. Teilnehmende am Nostalgie-Skirennen können in vier Kategorien am Rennen starten: Königsklasse; Holzski ohne Kanten, Oldies; Holzski mit Kanten, Retro; Metallski und Snowboard bis 1989 und Fassdauben.
Das Reglement des Anlasses besagt, dass auf Originalität Wert gelegt wird. Das heisst, dass auch die Bekleidung zu den Ski passen muss. Auch die Torflaggen sind wie früher. Dafür wurden Haselstauden geschnitten, gespitzt und farbige Fähnli angetackert.
Verschwundene Raritäten verhinderten Museum
Die ursprüngliche Idee von Nostalski Toggenburg war es, ein Skimuseum zu errichten. Ausgestattet mit Skimaterial, Pokalen, Medaillen, Fotos, Ranglisten und vielem mehr der Obertoggenburger Skipioniere. Diese Sammelstücke sollten einem interessierten Publikum zur Ansicht offen stehen. Da es jedoch schwierig ist, die passenden Sammelstücke wieder zu erlangen, ist man bereits daran, eine neue Idee umzusetzen.
Viele der Sammelstücke der Toggenburger Skipioniere waren als Leihgabe an Noldi Beck ausgeliehen. Beck war Betreiber des Skimuseums in Vaduz. Nach dem Tod von Noldi Beck 2014 waren die Exponate unauffindbar. Verschwunden. Lieselotte Schlumpf aus Unterwasser, Initiantin von Nostalski Toggenburg, begab sich zusammen mit Willi Forrer, Skirennfahrer aus vergangenen Zeiten, auf die Suche. Denn viele der Ausstellungsstücke hat Forrer Noldi Beck für das Skimuseum Vaduz ausgeliehen.
Auch ein paar drei Meter lange Skis des Vaters von Liselotte Schlumpf, eine wahre Rarität –alles weg. Fündig wurden Schlumpf und Forrer in Kitzbühel. Sie waren bereits einige Male im bekannten österreichischen Skiort. Sämtliche Exponate sind dort in einem Lager abgestellt. Was daraus wird?Man weiss es nicht so genau. Was aber sicher ist: Die Tradition des Wintersports wird im Toggenburg weitergelebt.
Nostalski-Rennen am Samstag, 25. März 2023. Genauere Informationen und Anmeldung finden sich auf der Website www.nostalski-toggenburg.ch