Nicht überall gleichbleibende Preise: Ein Algorithmus bestimmt, was das Billett kostet | W&O

20.02.2023

Nicht überall gleichbleibende Preise: Ein Algorithmus bestimmt, was das Billett kostet

Letzten Sonntag kostete eine Tageskarte im Skigebiet Chäserrugg 72 Franken, obwohl einige Pisten gesperrt waren. In den sozialen Medien reagierte man mit Kritik.

Von Luca Hochreutener
aktualisiert am 28.02.2023
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«Wir sollten langsam buchen, sonst wird’s teuer.» Meistens hört man diese mahnenden Worte im Zusammenhang mit den anstehenden Sommerferien. Last-Minute ist fast immer kostspieliger als ein von langer Hand geplantes Vorhaben. Während dieser Grundsatz früher nur für Flugreisen galt, müssen sich Skitouristen heute oft dieselbe Frage stellen. Zum Beispiel im Skigebiet Chäserrugg im Toggenburg. Dieses verfolgt eine dynamische Preisstrategie. Will heissen: An einem schönen Februartag, an dem eine hohe Nachfrage herrscht, zahlt man viel mehr für ein Tagesticket als an einem Tag mit schlechterem Wetter. Auch der Kaufzeitpunkt ist entscheidend: Je früher man ein Ticket bucht, desto günstiger. Bestimmt wird der Preis von einem Algorithmus. Vergangenen Sonntag lag dieser im Chäserrugg bei 72 Franken pro Tagesticket, was in der Facebook-Gruppe «Du bisch vom Toggeburg, wenn ...» Empörung auslöste. Ein Gruppenmitglied äusserte seinen Unmut über die teurere Tageskarte:
Absolute Frechheit. Skitageskarte 72 Franken. Nicht verwunderlich, hat es so wenig Leute ...
In den Kommentaren pflichtete man ihm bei. «Schad, spontan Schifahre isch offesichtlich tüür! Dynamischi Priise ...», schrieb eine Nutzerin.

Ein Vorteil für Familien

Führt diese Preispolitik zu einem Besucherrückgang? «Wir sehen die Einführung dieses Systems als Erfolg», schreibt Livia Miliffi, Verantwortliche für Marketing und Kommunikation bei den Toggenburg Bergbahnen AG, auf Anfrage. Einen Besucherrückgang könne man nicht feststellen. Stattdessen erhalte man auf dem Chäserrugg durchwegs positives Feedback. «Die Gäste schätzen die Besucherverteilung und speziell Familien können sich Preisvorteile sichern, da sie ihre Billette für die lange im Voraus geplanten Skiferien bereits im Herbst buchen können», schreibt Miliffi. In einem Punkt habe man dieses Jahr das Feedback der Gäste berücksichtigt und eine Ticketversicherung eingeführt, die bei Familien beliebt sei. Für das Skigebiet wiederum sei es von Vorteil, dass bei hoher Nachfrage der Gästefluss besser verteilt werden könne, wodurch Anlagen und Pisten besser ausgelastet seien. Die Preispolitik von Skigebieten bot auch andernorts Anlass zur Kritik. Vergangene Woche berichtete der «Blick», dass sich Skifahrer und Skifahrerinnen über volle Tagespreise für ein eingeschränktes Angebot aufregten. Werden die Preise angepasst, wenn im Skigebiet Chäserrugg Pisten geschlossen sind? «Nein», schreibt Livia Miliffi: «Ansonsten hätten Frühbucher nämlich mehr bezahlt.» In dem Fall sei eine Anpassung auch nicht nötig, denn sei das Angebot nicht mehr attraktiv genug, bliebe die Nachfrage aus und der Preis stagniere.

Fixe Preise in Wildhaus

 Die Bergbahnen Wildhaus verzichten in ihrer Preispolitik auf einen preisbestimmenden Algorithmus. z.V.g
Die Bergbahnen Wildhaus verzichten in ihrer Preispolitik auf einen preisbestimmenden Algorithmus. z.V.g
Ganz anders wird der Billettpreis im Skigebiet Wildhaus gehandhabt. Als dort einige Pisten mangels Schnee geschlossen blieben, wurden Tagestickets rund zehn Prozent günstiger. Überhaupt unterscheidet sich das Tarifsystem des Skigebiets Wildhaus von jenem der Toggenburg Bergbahnen AG. In Wildhaus sind die Preise für Tageskarten nämlich fix. Die Anbietenden sollen verlässlich sein Laut Jürg Schustereit, Marketingleiter der Bergbahnen Wildhaus AG, liegt dies an der Zielgruppe: «Wir haben ein sehr preissensitives Publikum», sagt er. Dazu gehörten viele Familien mit Kindern, die vom Anbieter Verlässlichkeit forderten. «Diese möchten wir gewährleisten.» Zudem liege das Skigebiet Wildhaus nahe an der Agglomeration. «Kaufentscheide werden bei uns oft kurzfristig getroffen.» Dieser Umstand ist verantwortlich für den hohen Anteil an Tagesgästen. Für die Bergbahnen Wildhaus wäre es deshalb nicht klug, an sonnigen Tagen höhere Preise zu verlangen. Aus seiner Sicht ergeben ­dynamische Preise bei grösseren Skigebieten durchaus Sinn: «Dort bucht die Kundschaft bei Rabatten früh, bleibt mehrere Tage und kann bei schlechtem Wetter auf andere Angebote ausweichen.» Auch hätten solche Skigebiete fast immer Schnee und müssten seltener Pisten schliessen. «Ich will keines der beiden Modelle in den Himmel loben oder kritisieren. Basierend auf unserer Zielgruppe werden wir aber keine dynamischen Preise einführen.» Ähnlich sieht man es in den Flumserbergen.

Verzicht aus Wertschätzung

«Unsere Erfahrungen zeigen, dass es die Gäste gewohnt sind, von Beginn bis Ende der Saison mit gleichbleibenden Preisen kalkulieren zu können», schreibt Mario Bislin, CEO der Bergbahnen Flumserberg AG. «So gibt es keine ‹bösen› Überraschungen, wenn sie bei uns zu Gast sind.» Einzig erhöhe sich der Tageskartenpreis am Wochenende von 65 Franken auf 69 Franken. Bei reduziertem Pistenangebot hingegen werden auch in den Flumserbergen die Preise gesenkt. Ausser zwischen Weihnachten und Neujahr. «Da wir in diesem Zeitraum nur rund 25 von 65 Pistenkilometer zur Verfügung stellen konnten, haben wir ‹Festtags-Spezial-Angebote› für unsere Gäste am Familienberg gratis zur Verfügung gestellt», schreibt Bislin.