Über Wildhaus ist es bereits dunkel geworden. Auch wenn jetzt die Landschaft nach dem warmen Winterstart mittlerweile weiss ist, sind die Schneeverhältnisse für den Bergsport am Rücken des Gamserrug noch nicht perfekt. Im Skigebiet Wildhaus laufen zwar seit kurzem alle der sechs Sesselbahnen und Skilifte, aber nur knapp die Hälfte der 23 Pistenkilometer sind befahrbar.
Dennoch gibt es für das sechsköpfige Pistenbullyfahrer-Team der Bergbahnen reichlich zu tun. Denn die kalten Temperaturverhältnisse lassen das künstliche Beschneien zu.
An den dunklen Skihängen fahren gerade fünf hell leuchtende Pistenbullys. Einer von ihnen bewegt sich auf die Bergstation Oberdorf zu, um dort eine der insgesamt 40 Schneekanonen im Skigebiet aufzuladen. Am Steuerknüppel dieses Pistenbullys sitzt Oliver Vetsch aus Unterwasser, der in seiner zweiten Saison Pisten in Wildhaus präpariert.
Das Radio läuft und DJ Ötzi singt gerade über einen Stern. Vetschs wichtigster «Begleiter» in den dunklen Stunden ist die Musik. Das Genre spiele keine Rolle. Vor kurzem habe das Radio nicht mehr funktioniert, «das war schon recht langweilig», sagt Vetsch und lacht.
Gut eine viertel Stunde nach der Abfahrt hält Vetsch den Pistenbully etwa 100 Meter vom Ziel entfernt auf der Skipiste Munggepfiff an. Weiter geht es nicht, denn ein Kollege präpariert gerade den oberen Teil der Piste. Der Obertoggenburger greift zum Funkgerät in der Kabine und sagt: «Ich bin mit der Kanone una am Pfiff». Der Kollege antwortet: «I mach de Pfiff z’erst no fertig».
Der 29- Jährige stellt die Kanone vorerst ab, wendet den Bully und fährt bergabwärts zur Sesselbahn Freienalp. Dort muss er die Zufahrt zum Lift vorbereiten. Allein für den kurzen Abschnitt vor dem Skilift muss der Pistenbullyfahrer mehrmals am Pistenrand den Schnee holen, welchen die Skifahrer tagsüber nach aussen verteilten.
Ein in der Kanone integriertes Messsystem wertet verschiedene Wetterfaktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit aus. So kann sie sich, beispielsweise wenn es zu warm, automatisch abschalten. Eine Ansteuerung per Handy ist ebenfalls möglich.
Ein Bubentraum ging in Erfüllung
«Die Skipiste führte früher, als ich ein Kind war, praktisch 50 Meter neben meinem Daheim durch», sagt Vetsch. Insofern liegt es nahe, dass sich der Junge schnell für die imposanten Maschinen interessierte. «Mit einem Bekannten durfte ich dann an den Wochenenden im Bully mitfahren». Jahre später und nachdem er einen zweitägigen Kurs absolviert hatte, sitzt der Obertoggenburger selbst am Steuerknüppel eines Pistenbullys. «Ich konnte meinen Bubentraum erfüllen», sagt Vetsch mit einem Lachen im Gesicht. Der 29-Jährige fährt mit dem Fahrzeug, dass soeben eine zirka 700 Kilo schwere Schneekanone mühelos hochhob, los. Entlang des mit Pfosten markierten Pistenrandes steuert er den Pistenbully umgeben von der Dunkelheit bergaufwärts.Schnee ist neben der Piste nur gering verfügbar
Etwas rumpelig tuckert das Raupenfahrzeug mit etwas mehr als 10 km/h die Skipiste hoch. Das Ziel des Kanonevntransports ist die Nummer 56 der rund 60 Schächte im Skigebiet. Auf dem Weg zum Schacht zeigt die digitale Anzeige in der Kabine an einer steilen Stelle eine Steigung von 26 Prozent an. «Das ist nicht mal die steilste Stelle im Skigebiet», sagt der Bullyfahrer unbeeindruckt.Schneeaggregate sind per Handy ansteuerbar
Gerade als Vetsch fertig wird, meldet sich der Kollege vom Munggepfiff wieder. Die Kanone könne hochgebracht werden. Mit der Schneekanone am Ziel angekommen wartet bereits ein anderer Kollege um zu helfen. Vetsch platziert die Kanone auf der Piste. Mit einem Schlauch für den Wasseranschluss und zwei Kabeln für Strom und die Datenübertragung schliessen sie die Beschneiungsmaschine am Schacht an.Eine Hand wäscht die andere
Nach einer kurzen Pause am Stammtisch im Berggasthaus Gamsalp machen sich die Pistenbullyfahrer an ihre letzten Aufgaben: Zur Sicherheit der Skifahrerinnen und Skifahrer muss das Team Sicherheitsmatten an den Schneekanonen befestigen und die Schlauch- und Kabelverbindungen zum Schacht mit Zäunen absichern. Auf dem Zielhang zum Feierabend spricht Vetsch nochmals den Bekannten an, den er früher begleiten durfte. Mittlerweile habe jener mit dem Pistenbullyfahren aufgehört. Sein Sohn sei jedoch bereits mit Vetsch mitgefahren. Mit einem Lachen im Gesicht sagt Oliver Vetsch:Ich konnte mich also noch revanchieren.