Eigentlich wollte Dorly Tanner als junge Frau in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandern. Zuvor musste die heute 83-Jährige die Ausbildung zur Psychiatrieschwester aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Von Thun, wo sie aufgewachsen ist, nach New York, so der neue Plan.
Doch wie so oft ändern sich die Pläne. Während sie auf den Visumbescheid wartete, lernte sie ihren heutigen Ehemann Willy Tanner kennen. 1971 nahm dieser in Buchs die Stelle als Berufsfachschullehrer an. Damit erfolgte auch der Umzug nach Grabs. Einige Pläne mögen sich spontan ändern, doch so manche Leidenschaften bleiben ein Leben lang bestehen.
Spezielle Arbeiten haben den grössten Reiz
Bereits als Kind hat Dorly Tanner das Basteln und die Handarbeit gemocht. Tanner erklärt:Vor allem die speziellen, aussergewöhnlichen Arbeiten reizen mich.Damit meint sie beispielsweise die Knüpftechnik «Frivolité», Keramikbemalungen, Klöppeln, oder Sticken. Letzterem widmet Tanner in den vergangenen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. Seit rund zehn Jahren verziert sie mit ihren Stickereien Gruss- und Weihnachtskarten und verkauft diese auf ihrer Internetseite.
Grusskarten aus Verpackungen gestaltet
Angefangen hat alles im familiären Rahmen. Aus festlich verzierten Verpackungen von Pralinés zur Weihnachtszeit gestaltete sie Grusskarten für die Verwandtschaft. Sie erzählt schmunzelnd:Irgendwann habe ich viel mehr Karten gemacht als ich überhaupt verschicken konnte.Vieles, was Tanner heute kann, hat sie sich selbst beigebracht oder an Kurse in der ganzen Schweiz gelernt. «Ich habe oftmals das Gefühl, dass die Handarbeit etwas aus der Mode geraten ist». Ausser dem Stricken, das erfreue sich stetiger Beliebtheit. Tanner kennt sich aus, sie hat schliesslich selbst über zehn Jahre bei Wolle Gret in Buchs unterschiedliche Handarbeitskurse geleitet.
Zu jedem Material eine Idee
Die feinen Arbeiten wie das Sticken sind bei der 83-Jährigen allerdings nie aus der Mode geraten. Sie schätze den kreativen Prozess, der hinter jeder Karte stecke. «Bei der Bestellung des Materials muss ich mich immer etwas zurückhalten, denn zu allem hätte ich eine Idee», erklärt die Wahl-Grabserin. Deshalb ist ihr liebstes Motiv auch immer das, was sie gerade nicht macht.Wenn ich Karten mit Sternenmotiv sticke, dann fällt mir etwas Neues zu den Kerzenmotiven ein und umgekehrt.
Gestickt wird abends vor dem Fernseher
Dorly Tanner muss nicht vom Verkauf der Karten leben. Dennoch sorgt sie immer dafür, dass sie möglichst von allen Motiven ausreichend an Lager hat. Wie lange sie an einer Karte arbeitet, kann sie nicht sagen.Jede Karte ist ein Unikat.Was sie mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass die Vorbereitung - also die Auswahl der Materialien und die Farbabstimmung - einen Grossteil der Zeit in Anspruch nehmen. Gefertigt werden die Karten dann jeweils am Abend vor dem Fernseher. «Ich kann nicht fernsehen, ohne nebenbei noch etwas zu machen», erzählt Tanner.